Ob imposante Meeresgöttin als Schaustück, süße Tour durch Berlin beim Live Plating oder Food Pairing auf der Torte – die Berliner Konditorinnen Katja Liebing und Anne Ziller demonstrierten bei der Sat.1-Show „Das große Backen“ eindrucksvoll ihr Können. Lebensmittelmagazin.de hat die beiden besucht und über die TV-Produktion gesprochen.
Groß war die Überraschung, als beim diesjährigen „Das große Backen – die Profis“ die Konditorinnen eines wohlbekannten Schokoladenhauses in Berlin teilnahmen. Katja Liebing, Chef-Patissiere von Rausch mit ihrer Freundin und ehemaligen Auszubildenden Anne Ziller, Cheffe de Partie im Ritz Carlton. Beide sind in ihrer Laufbahn gut rumgekommen. Nach ihrer Ausbildung zur Köchin folgte Work and Travel in den USA für Katja Liebing. Als Patissiere arbeitete sie im Sankt Moritz Kempinski, im Berliner 44 bei Tim Raue, auf den Cayman Islands sowie in Australien. Wieder in Berlin machte sie ihre Konditormeisterin in Vollzeit. Darauf folgte die Arbeit als Patissiere in der O2-World in Berlin, sowie im Adlon Kempinski. Sechs Jahre lang führte sie selbständig „The Tiny Cake Boutique“, bevor sie 2019 bei Rausch in Berlin als Chef Patissiere anfing. Auch Anne Ziller kann von einem großem Reisekoffer berichten. „Die Ausbildung in Cake Design konnte ich in zwei statt der üblichen drei Jahre absolvieren und dann bin ich durch die Welt gereist: Bali, Japan, Thailand, Vietnam, Singapur, Philippinen und Neuseeland“. Die beiden erklären den großen Unterschied zwischen einer/einem Konditor:in und einer/einem Patissier:e: „Der klassisch in einer Lehre ausgebildete Konditor stellt vor allem Torten, Kuchen und Hochzeitstorten her. Er hat einen geregelten Arbeitstag und kann im Voraus planen. Der Patissier macht zumeist vorher eine Kochlaufbahn und ist eher spezialisiert auf Desserts a la Carte.“ Und nun also die Teilnahme an der Sendung „Das große Backen“ – ein weiteres Highlight ihrer beiden Karrieren. Runde um Runde setzten sie sich gegen ihre Mitbewerber:innen durch, um dann im Finale mit nur einem Punkt Unterschied auf dem zweiten Platz zu landen. Zuvor hatte Konditormeisterin Liebing bereits sechs Mal Prominenten bei der Show als Coach zur Seite gestanden, um diese für den Wettbewerb vorzubereiten.
Im Schokoladenhaus
Der hintere Turm des Reichstags hat durch einen Wassereinbruch erheblichen Schaden erlitten. Umringt von neugierigen Schüler:innen im Verkaufsraum im Rausch-Schokoladenhaus ist es die Aufgabe von Katja Liebing, den Turm wieder herzurichten. Anders als beim Original reicht hier ein großer Batzen Formschokolade sowie etwas Zeit und Fingerspitzengefühl der Konditormeisterin. Gegenüber steht auf der Verkaufskonsole der bronze-schimmernde Nautilus-Eisenbahnwaggon, ein Schaustück in Steampunk-Optik aus der Show. Noch ist das Café verwaist und wartet auf die Wiedereröffnung, damit Gäste bei den hauseigenen Törtchenkreationen und einer Tasse Kaffee wieder den eindrucksvollen Ausblick auf den Gendarmenmarkt vom deutschen Dom aus genießen können. Beide Konditorinnen blicken auf die TV-Show zurück: „Da muss man mal dabei gewesen sein, das war eine coole Erfahrung“. Besonders schön sei es gewesen, dass trotz der Corona-bedingten Abstände der Zusammenhalt zwischen den Kandidaten gut war. „Keiner hätte dem anderen etwas Böses gewollt. Viele der Kandidaten sind selbständig und ihre Performance hätte sich auf ihren Ruf ausgewirkt.“
Show vs. Realität
Viel hätte die Show aber nicht mit ihrer alltäglichen Arbeit gemein gehabt: „Zunächst war das schlichtweg keine Küche, sondern ein TV-Set. Da gab es bisweilen auch keinen Strom aus der Steckdose und heißes Wasser kam nicht aus dem Hahn, sondern aus dem Wasserkocher. Hinzu kam natürlich die fremde Einrichtung, allein die Marmorplatte anstelle der sonst üblichen Edelstahlarbeitsfläche sorgte für große Unterschiede. Das war wie in der Küche der neuen Schwiegermutter ein Drei-Gänge-Menü zu zaubern“, meint Anne. Während spektakuläre Events wie Live Plating, also das kunstvolle Anrichten von Petit Fours, Pralinen, Crumbles, Mousse, Coulis und Eiscreme im Rahmen einer Performance, durchaus in Hotels geschehen, seien ausgerechnet die Schaustücke im Alltag der Konditor:innen absolute Seltenheit. Zu der Vielzahl von Schaustücken im Schokoladenhaus von Rausch gibt die Chef-Patissiere deshalb zu bedenken: „Diese Kunstwerke sind von Kolleginnen und Kollegen vor langer Zeit gebaut worden, unsere Aufgabe liegt eher darin, diese Instand zu halten.“
Was man nicht im Kopf hat …
Die besonders schwierige Herausforderung für sie bestand darin, aus vorgegebenen Zutaten, quasi im Blindflug, zu backen. „Klar hat jeder Konditor seine vier oder fünf Bodenrezepte im Kopf parat. Hier in Deutschland sind aber durchaus an die 50 Rezepte gebräuchlich, hinzukommen noch tausende Rezepte weltweit.“ Darüber hinaus würden unterschiedliche metrische Systeme für ziemlich krumme Messeinheiten sorgen. „In einem Rezept von Juror Christian Hümbs wurden 31,65 Gramm Zucker verlangt. Ich habe ihn gefragt, ob er das ernst meint“, fügt Anne Ziller hinzu. Denn anders als beim Kochen wird beim Backen korrekte Umsetzung der Rezepte verlangt. Allein schon die Vielzahl an Grundteigen: Mürbeteig, Rührteig, Wiener Boden, Hefeteig, Schokokuchen und Karottenkuchen. „Eine Mousse kann man sich immer irgendwie ableiten, die bekommt man zusammengerührt“, stimmen beide Freundinnen überein. Ebenso einer Meinung sind sich beide Frauen über eine andere Tatsache: „Blätterteig wäre gar nicht gegangen! Wenn man bei der Sendung eins nicht hatte, dann waren das Ruhezeiten beim Teig. Jeder Teig zum Ausrollen benötigt eigentlich Ruhezeiten, aber Blätterteig besondere. Deshalb haben wir häufig mit Rührteig gearbeitet, der benötigt keine Ruhezeit.“ Ähnlich herausfordernd war das geforderte Food Pairing für die Kandidatinnen und Kandidaten. Hierbei geht es um die Kombination von Lebensmitteln bzw. ungewöhnlicher Aromen. „Abgesehen von der tollen Kombi Gurke/Apfel waren die anderen von der Produktion geforderten Zusammenstellungen problematisch. Avocado und Feige haben hier in Deutschland keinen guten Eigengeschmack, bei Erdbeere/Tomate schmeckten die Früchte ebenso wenig, weil einfach noch keine Saison war, insofern war Himbeere/Paprika nicht das schlechteste, auch wenn die vorbereitete Paprika bitter vom Grillen war.“
Einfach köstlich!
Dass der erste Preis nach Südtirol gegangen ist, nehmen sie sportlich. Sie selber sehen auch einen Unterschied im Konditorhandwerk in der Hauptstadt und in Norditalien. „Die Konditorei in Berlin ist sehr bodenständig. Der Kunde möchte um 16 Uhr zum Kaffee seine geliebten Klassiker an Torten und Kuchen genießen. Für waghalsige Kreationen fehlen einfach die Interessenten.“ Dass die beiden damit untertreiben, beweisen ihre Pralinenkreationen, die man direkt neben der Kasse findet. Eine Sorte schimmert wie ein dunkler Opal und offenbart einen fruchtig-spannenden Kern aus Kirsche mit Thymian – da können andere Kirschpralinen einpacken.
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