Was muss man oft von Mogelpackungen hören und lesen? „Mehr Schein als Sein“, lautet der Vorwurf und in einer neuen Variante der Verbraucherzentrale wird das Thema in Zusammenhang mit klimaschutzrelevanter Abfallvermeidung gesetzt. Lebensmittelmagazin.de hat darüber mit der Lebensmittelverpackungsexpertin Dr. Sieglinde Stähle gesprochen.
Mogelpackungen sind dem Klischee nach große Verpackungen mit kaum Inhalt. So einfach ist das in Europa aber nicht. Zunächst gibt die Expertin zu bedenken: „Die Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) schützt die Verbraucherinnen und Verbraucher grundsätzlich vor irreführender Aufmachung, womit auch die Verpackung erfasst ist.“ Zudem sieht die Fertigverpackungsverordnung vor, dass das Luftvolumen einer Packung nicht mehr als 30 Prozent umfassen darf, sobald die Verbraucher:innen die Packung öffnen.
Wozu das Drumherum
Grundsätzlich dienen Verpackungen dem Produktschutz, der Logistik sowie der Aufmachung. So werden durch die Luftfüllung in Kunststoffverpackungen beispielsweise Kekse vorm Zerkrümeln bewahrt und bieten Lebensmitteln Schutz, erhalten die Frische und die Knusprigkeit. Die Umkartons haben im Gegensatz dazu keinen Einfluss auf die Frische der Lebensmittel. Sie sorgen für Stabilität, beispielsweise dafür, dass sie sich beim Transport leichter stapeln lassen, außerdem bietet die Kartonverpackung unter Umständen mehr Fläche für verbraucherrelevante Informationen zum Produkt. Noch ein Aspekt fällt ihr ein: „Was man auch nicht vergessen darf, dass die Verpackung als Teil der Aufmachung dient und durchaus der Wertigkeit eines Produkts, wenn man beispielsweise an Pralinen oder Kekse denkt, die in einem Kunststofftrail zusätzlich in einer aufwändigen Schachtel liegen, de facto könnte man dafür auch eine lose Kunststofftüte als Verpackung wählen.“
Mehr als heiße Luft
Solche Kunststofffolienbeutel werden beispielsweise auch bei Kartoffelchips und Frühstückscerealien verwendet. In diesem Kontext wird der Vorwurf laut, das oft zu viel Hohlraum in der Verpackung sei. Die Verpackungsexpertin klärt auf: „Diese Tüten lassen sich nicht kompakt befüllen, sondern die Produkte fallen locker hinein. Nach der Befüllung, auf dem Weg, beim Transport, in den Regalen des Lebensmitteleinzelhandels bis schlussendlich zu Hause bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern verdichtet sich der Lebensmittelinhalt. Je nach Struktur und Dichte geschieht dies schneller und extremer, wie bei Reis oder Linsen zum Beispiel. Da kann sich das Volumen durchaus um ein Drittel reduzieren.“ Auszugehen sei laut der Expertin immer vom Schüttgewicht: „Sie bezahlen die Masse, nicht das Volumen.“ Dementsprechend empfiehlt Dr. Sieglinde Stähle beim Einkauf auf den Grundpreis auf dem Etikett am Regal zu schauen, insbesondere, wenn das Produkt in unterschiedlicher Aufmachung angeboten wird. Was sie aber auch zu bedenken gibt: „Kein Unternehmen hat was zu verschenken, auch nicht an Verpackung.“ Der Leitsatz zur Verpackung in der Lebensmittelindustrie sei „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Damit begegnet die Lebensmittelwirtschaft den Erwartungen und Wünschen der Verbraucher:innen nach Abfallreduktion durch weniger Verpackung und Recycling.
In einer Verbraucherschutzsendung vor wenigen Wochen wurde Luft im Produkt noch anderweitig moniert, bei Eiscreme aus der Tiefkühltruhe wird Luft unter die Masse eingeschlagen. „Die Menge ist durch Vorgaben des Deutschen Lebensmittelbuchs begrenzt, aber hier ist Luft tatsächlich eine Zutat, die bei dieser Art von Eiscreme für die von den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewünschte Konsistenz und Cremigkeit verantwortlich ist. „Dieses Verfahren wird nur bei industriell hergestelltem Speiseeis verwendet. Man erkennt dies im Vergleich: Wenn eine Packung Eiscreme mit Lufteinschlag schmilzt, bleibt die Struktur weitestgehend erhalten, während Eis nach handwerklichen Verfahren, wie etwa aus der Eisdiele, flüssig wird und über die Hand läuft.“
Wenn man nicht so kann, wie man möchte
Den Vorwurf des mangelnden Beitrags zur Abfallreduktion kann die Lebensmittelverpackungsexpertin so nicht gelten lassen: „Im Gegensatz zu anderen Branchen ist die Lebensmittelbranche bislang nur auf bestimmte Kunststoffe angewiesen, denn noch steht die Zulassung durch die europäische Kommission für weitere Kunststoffe aus. Die Lebensmittelverpacker warten auf Recycling-Kunststoff.“ Auf der anderen Seite erfordert der gesundheitliche Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher den Einsatz beispielsweise von schwer zu recycelndem Verbundmaterial, man denke in dem Zusammenhang an die Mineralöl-Belastung in Kartonverpackungen. Dies steht im Widerspruch zum Wunsch der Verbraucher:innen nach mehr Recycling, mehr Monomaterial und weniger Verpackung. Dr. Sieglinde Stähle konstatiert: „Die Möglichkeiten auf diese Anliegen einzugehen sind noch zu beschränkt.“
“Mogelpackungen“ sind also im Zweifelsfall auf technische Gründe zurückzuführen und der Trickserei-Vorwurf ist haltlos? „Meistens ja, Grenzfälle sind im Einzelnen natürlich nicht ausgeschlossen“, sagt die Expertin, gibt aber zu bedenken, dass es weitere Gründe für Umgestaltungen der Packungsgrößen gibt. „Rohstoffe, wie beispielsweise Haselnüsse oder Kakaobutter, erleben auf dem Weltmarkt starke Preissteigerungen. Gleichzeitig haben die Produzierenden langfristige Verträge mit dem Lebensmitteleinzelhandel, müssen aber auf die Entwicklungen eingehen z. B. mit Verpackungs- oder Rezepturänderung.“
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