„Drei im Weggla oder sechs auf Kraut“, Nürnberger Rostbratwürste widerlegen kulinarisch, dass es nicht auf die Größe ankommt. Lebensmittelmagazin.de ist für die berühmte Wurst mit geschützter geografischer Angabe in die fränkische Metropole gefahren.
„Damit nach der Sperrstunde die Spätankömmlinge durch das Schlüsselloch des Stadttores verköstigt werden konnten“, lautet die Antwort der Nürnberger Fleischermeisterin Nina Weiß auf die Frage nach dem Warum der Größe. „Mit siebenhundertjähriger Kulturgeschichte verankert die Nürnberger Rostbratwurst wie kein anderes heimisches Lebensmittel Mythos und Geschichte in der Realität“, sagt sie in ihrer Genusswerkstatt im Süden Nürnbergs. Seit 2006 führt sie die Metzgerei in dritter Generation, die seit 50 Jahren ihrer Familie gehört. Die Übernahme nach dem Tod des Vaters war für sie ein Sprung ins kalte Wasser, zuvor arbeitete sie als Automobilkauffrau in München. Mit ihrer Erfahrung im Familienbetrieb konnte sie als Quereinsteigerin direkt in die Meisterlehre als Metzgerin und schloss 2012 ihren Meister ab.
Nürnberger Original
Für sie hat der Metzgerberuf nichts mehr mit dem klassischen Bild von morgens bis abends Fleisch hacken gemein, sondern setzt den Fokus vielmehr auf Fleischveredelung, wie beispielsweise die Kunst des Dry Aged Beef, das unter großem Aufwand zur Delikatesse reift. „Auch die Fleischerfachverkäuferin steht nicht mehr von morgens bis abends hinter der Theke, sondern ist beim Catering kreativ gefragt.“ Der Arbeitstag allerdings beginnt für den Metzgermeister schon um fünf Uhr, die Fleischerfachverkäuferinnen beginnen um sechs Uhr mit den Vorbereitungen von Aufschnitt und Kartoffelsalat, damit zur Ladenöffnung um acht Uhr für die Kundinnen und Kunden alles bereitsteht. 2016 modernisierte Nina Weiß die Metzgerei zur Genusswerkstatt, mit dem Verkauf regionaler Delikatessen und einer üppigen Theke mit hausgemachten Wurstwaren und natürlich Nürnberger Rostbratwürsten.
Seit 2003 genießen die Nürnberger das Siegel der geschützten geografischen Angabe (g. g. A.) der EU. Sieben bis neun Zentimeter darf die Nürnberger Rostbratwurst lang sein und 20 bis 25 Gramm wiegen. Natürlich muss sie auf dem Grund des Nürnberger Stadtgebiets hergestellt worden sein, um sich Nürnberger Rostbratwurst zu nennen. Und natürlich muss sie aus Schweinefleisch sein. „Veggi-Nürnberger gibt es nicht!“, sagt Weiß. Außerdem haben die Würste Sendungsbewusstsein, rund eine Milliarde Nürnberger Rostbratwürste werden alljährlich von den vier größeren Herstellern in die ganze Welt exportiert.
Der Weg der Wurst
Für die Würste wird zunächst in der Genusswerkstatt das Schlegelfleisch von Schweinen aus der bayerischen Region grob entsehnt, das Fleisch soll einen maximalen Fettanteil von 30 bis 35 Prozent aufweisen. Es wird zusammen mit Salz, Gewürzen wie Piment, Macis (Muskatblüte) und Pfeffer, sowie dem charakteristischen Majoran vermengt und grob durch den Fleischwolf gedreht. Die Rezeptur der Gewürzmischung stammt noch vom Nina Weiss Großvater.
Metzgermeister Benni führt zur Produktionsstätte, es duftet nach geräuchertem Wildschweinschinken. In einer Mengenmulde wird die Masse für die Bindung und um eine grobe Struktur zu erhalten, vermengt. Nachdem der Metzger die Wurstmasse in die Füllmaschine gibt, zieht er den ca. drei Meter langen Darm (Schafsaitling) über das 20 Millimeter dicke Kaliber. Der Saitling windet sich befüllt als dünne Schlange über die Arbeitsplatte. Mit dem Augenmaß durch Erfahrung dreht Benni die einzelnen Würste in vorgegebener Größe ab. Hier werden sie roh verkauft und sollten innerhalb eines Tages gegessen werden. Nur die industriell hergestellten werden zur Haltbarkeit gebrüht. Der Metzgermeister hat noch einen wichtigen Tipp: „Am leckersten schmecken sie frisch vom Holzkohlegrill.“
Museale Wurst
Ein bisschen aufgeregt schaut Nina Weiß auf den morgigen Tag. Das Bratwurstmuseum am Nürnberger Trödelmarkt wird eröffnet. Unter aktuellen Epidemiebedingungen muss die Eröffnung im kleinen Rahmen stattfinden. 2013/14 präsentierte das Stadtmuseum im Fembohaus anlässlich des 700jährigen Jubiläums eine Sonderausstellung über Ursprungsmythen und Sagen der Nürnberger Bratwurst sowie Exponaten rund ums Handwerk. Es dauerte mehrere Jahre bis eine geeignete dauerhafte Lokalität gefunden wurde. Der Schutzverband, deren zweite Vorsitzende Nina Weiss ist, setzt sich zusammen aus den vier größeren Herstellern, der Stadt Nürnberg, der Fleischerinnung Mittelfranken sowie der „5 im Weckla GmbH“, welche die traditionellen Bratwurstküchen vertritt. Eine davon ist das traditionsreiche berühmte Bratwurstglöcklein im Handwerkerhof hinter der alten Stadtmauer Nürnbergs. Das ursprüngliche Restaurant, das sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt, wurde im Krieg zerstört. Im wieder aufgebauten wird weiterhin Nürnberger Bratwurst serviert, beispielweise auf einem Herdzinnteller.
Haupt-Artikelbild (oben): Weiß Genusswerkstatt & Catering