Croissant – der knusprige Halbmond

Zusammen mit Butter und Marmelade ein kleines Nonplusultra auf dem Frühstückstisch – besonders, wenn man es auf die französische Art vor dem Reinbeißen noch schnell in den Kaffee tunkt. Lebensmittelmagazin.de war beim Aufrollen dabei.

Glücksgefühle beim Frühstück verspricht schon der Name der Konditorei: „Du Bonheur„, eine der ersten Adressen Berlins für Croissants, oft mit langen Schlangen davor. Ein wichtiges Detail klärt Konditormeisterin Anna Plagens direkt am Anfang: „Blätterteig ‚touriert‘ man, der Posten wird in Frankreich Tour genannt. Obst und Gemüse, dass man in Form schneidet, ‚tourniert‘ man“. Tourieren ist also das Einarbeiten von Ziehfett in einen Grundteig. Im Fall von Du Bonheur ist von Butter die Rede. „Als Teig nehmen wir Hefeblätterteig. Durch das Einarbeiten von Butter haben wir ein zweites Triebmittel. Die Butter schmilzt beim Backen und das sich darin befindende Wasser hebt als Dampf die einzelnen Schichten hoch, das Aufblättern.“

Eine der ersten Adressen in Berlin für Croissants ist das Du Bonheur.
Foto: Anne Plagens/Du Bonheur

Einfach oder doppelt?

Leichter gesagt als getan. Wer einmal versucht hat, eigenhändig Blätterteig herzustellen, mag den Verdruss kennen: Butter, die aus dem Rand quillt, brechende Stellen etc. Die Konditormeisterin hat für Hausfrauen und -männer einen goldenen Tipp: „Teig und Butter müssen dieselbe Textur haben, also in etwa dieselbe Temperatur. Wir arbeiten beinahe bei Raumtemperatur“. Das Butterrechteck entspricht etwa der Hälfte der Größe des Teigrechtecks. Die Butter wird mittig auf den Teig gelegt und dieser dann rechts und links eingeklappt. Einige Male wird der Teig durch die Teigausrollmaschine gezogen, bevor er wieder für eine Viertelstunde in die Kühlung kommt. „Man kann den Teig auch doppellagig falten, damit erhält man so in kürzerer Zeit mehr Schichten. Das ist aber eine Geschmacksfrage des Konditors“, erklärt Anna Plagens. Insgesamt wird der Teig im Du Bonheur dreimal touriert. Auf 3,5 Kilogramm Hefeteig kommen immerhin 1,2 Kilogramm Butter plus Butter im Grundteig.

Mit dem Fahrrad in der Konditorei

Während der Teig in der Kühlung ruht, schneidet Anna Plagens mit einem Teigroller mit mehreren Rädern Hefeblätterteig für Pain au Chocolat, also Schokoladencroissants. Leider hat das skurrile Werkzeug im deutschen keinen bemerkenswerten Namen, auf Französisch sagt man Bicyclette – Fahrrad. Die Mitarbeiterin von Anna Plagens sammelt die Streifen auf einem Backblech, das später in die Kühlung kommt. Klare Arbeitsanweisung von der Chefin im Umgang mit dem Hefeblätterteig: „Nicht quetschen oder ziehen, damit zerstören wir die Blätterung“. Die Hefeblätterteige für die unterschiedlichen Croissants unterscheiden sich dabei durchaus, z. B. im Zuckeranteil, den Einfluss auf die Struktur des Gebäcks und die Färbung durch den Maillard-Effekt (Anm. d. Red.: Zuckermoleküle reagieren bei starker Erhitzung mit Aminosäuren, was zur Entwicklung aromatischer Röststoffe führt) hat.

Ob sie die Geschichte des Croissants im Zusammenhang mit der Belagerung der Türken vor Wien kennt? Wiener Bäcker hörten 1683 während ihrer nächtlichen Arbeit Geräusche. Die Türken wollten einen Tunnel unter der Stadtmauer graben, um die Stadt anzugreifen. Die Bäcker schlugen Alarm und der Angriff konnte so verhindert werden. Zur Feier über diesen Sieg erfanden die Bäcker das Croissant, dessen Form an den türkischen Halbmond erinnern soll. Mit der Heirat zwischen der österreichischen Prinzessin Marie-Antoinette und Louis XVI 1770 kam das Croissant nach Frankreich. Anna Plagens nickt, hat aber so ihre Zweifel: „Warum sollte man das gegnerische Symbol so feiern?“, den zweiten Teil der Geschichte kann sie aber bestätigen: „Feingebäck aus Blätterteig heißt in Frankreich immer noch Viennoiserie“.

Zwischen Wien und Paris

Anna Plagens selber lernte Pâtisserie in Frankreich, in der Nähe der elsässischen Stadt Colmar. Danach zog sie nach Wien, wo sie zunächst als Pâtissière im gerade eröffnenden Hotel Palais Coburg in Wien arbeitete, plus zwei Jahre in der Wiener Traditionskonditorei Demel, bevor sie dann für einige Jahre nach Paris zog. Jetzt feiert sie nächstes Jahr zehnjähriges Jubiläum mit ihrer Konditorei Du Bonheur in Berlin-Mitte. Mit ihr zusammen arbeiten hier 16 Mitarbeiter:innen, darunter zwei Auszubildende. „Außerdem haben wir gegenwärtig eine Erasmus-Auszubildende aus Finnland, die bislang ausschließlich Theorie in der Ausbildung hatte. Hier in Deutschland wird größeren Wert auf die Praxis gelegt. Wissen und Erfahrung lernt man durch viele Experimente und unter Anleitung.“ Sie meint, dass gegenwärtig in den Restaurants und feinen Pâtisserien zu wenig Wert auf „Gebackenes“ gelegt wird, auch wenn sie, auf Nachfrage, nichts gegen „Mousse und Schäumchen“ habe.

Foto: Johannes S. – Lebensmittelmagazin.de

Blättrige Vielfalt

Nun, diesen Vorwurf kann man dem Sortiment des Du Bonheur nicht machen. Neben Macarons, Quiches und Brot, umfasst allein die Viennoiserie neben den Croissants und Pain au Chocolat noch Köstlichkeiten wie Walnuss-Croissants, herzhafte Croissants mit Ziegenschnittkäse und Büffelschinken, Apfeltaschen mit Mandeln, Tourbillons – Croissant-Marzipanschnecken mit Mandelknusperglasur. Eine besondere Delikatesse aus Hefeblätterteig, die man auch im Du Bonheur bekommt, ist der bretonische Kuchen Kouign Amann, den es hier in naturell oder mit Sauerkirschen gibt. Ähnlich, aber noch französischer, ist der Dreikönigskuchen, der Galette du Rois, ein Blätterteigkuchen mit Mandelcremefüllung und einem versteckten Figürchen, oft aus Porzellan, für den König.

Im Handumdrehen

Endlich ist es soweit, die Croissants werden gewickelt. Mit einem großen Küchenmesser und Augenmaß schneidet die Konditormeisterin Teigstücke im Brietorten-Format, jedes 85 bis 90 Gramm. Zuvor hatte sie die Teigbahn auf 120 x 50 Zentimeter halbiert. Jetzt nimmt sie die einzelnen Teigstreifen und zieht sie von 25 auf 40 Zentimeter, bevor sie gekonnt und mit Gefühl in einem Rutsch spindelförmig aufgerollt werden. Und was ist mit dem Halbmond? Sie lächelt, nimmt das Küchenmesser und macht einen anderthalb Zentimeter tiefen Schnitt in das dicke Ende, bevor sie es jetzt aufwickelt. Kleine Handlung, große Wirkung – die Enden ziehen sich jetzt stärker auseinander und die bekannte Halbmondform entsteht. Sie erklärt: „Sowohl die Spindel- wie auch die Halbmond-Form sind in Frankreich beide üblich, auch wenn ich in Paris eher die Spindelform kenne“. In Reih und Glied liegen die Croissants jetzt auf dem Backblech, bevor sie bei minus 18 Grad tiefgekühlt werden. Für eine Woche sind das insgesamt 600 Teilchen, davon 300 Croissants. Die Woche über werden sie allmorgendlich um 6 Uhr 20 Minuten lang im Umluftofen gebacken. Allerdings dürfen sie vorher noch drei Stunden im Gärschrank bei 29 bis 30 Grad gären. Ambitionierten Hobbybäcker:innen empfiehlt sie das Badezimmer nach dem Duschen als feuchtwarme Alternative.

Nichts verkommen lassen

Und wenn Croissants übrig bleiben? „Davon machen wir unsere Mandel-Croissants mit Rumsirup, Praliné und Mandelcreme. Die sind so begehrt, dass wir bisweilen manche extra Croissants backen müssen.“ Ansonsten empfiehlt sie, Croissants vom Vortag ruhig herzhaft mit Schinken und Käse zu füllen und 3 Minuten im Grill zu überbacken. Eine weitere Alternative sind in ihrem Geschäft sogenannte „Pain perdu“, bei denen die Croissants in einer Eier-Royale, also mit Sahne, Vanille und Eiern zu einem leckeren Dessert gebacken werden.

Haupt-Artikelbild (oben): Anne Plagens/Du Bonheur

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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