Rund um Ostern sind Schokoeier buchstäblich wieder in aller Munde. Im vergangenen Jahr sind 92 Millionen Packungen davon über die Theke gegangen. Ein paar interessante Einblicke in die Produktion und in die Geschichte des Eierkults, am besten mit Schokoei im Mund.
Kaum öffnet sich die Schleuse der Produktionshalle, umfängt einen der alles ausfüllende, süßherbe Schokoladenduft. Über fünf Laufbänder à zwanzig Meter fährt eine schier unendliche Anzahl von Schokoladentafeln. Zehn Mitarbeiter der Schokoladenmanufaktur Rausch in Berlin-Tempelhof stehen dazwischen, kontrollieren die Tafeln und verfeinern: Hier wird ein bisschen Rosmarin auf die Tafel gestreut, dort ein wenig Fleur de Sel. Die Patisseurin Patricia Goergen trägt auf ihrem Tablet sechs bereits mit dunkler Schokolade überzogene Marzipaneier zu einem Rolltisch. Sie hält einen Streifen Bruchschokolade hin, „Peru, 60% – die hellste der dunklen“, sie schmilzt sofort im Mund, es macht Schwierigkeiten sich anderweitig zu konzentrieren, das ist wirklich gute Schokolade. Goergen holt eine Spritztüte mit weißer Schokolade hervor, dazu erklärt sie:
„Das ist ja eigentlich gar keine richtige Schokolade, es fehlt komplett der Kakao, außer der Kakaobutter.“
In großen Schwüngen zieht sie filigrane Schokoladenkreise über das schwarze Ei. Zuletzt streut sie weiße schokolierte Crisps über das Kunstwerk. Man möchte sofort reinbeißen!
Das christliche Fest der Eierinflation
Mögen die Ursprünge der österlichen Schokoeier in dem wenig erforschten Bereich der europäischen Geschichte der Confiserie verborgen sein, der österliche Eierkult hingegen beruht dabei auf simplem Pragmatismus: Die katholische Kirche verbot im Mittelalter zur Fastenzeit den Genuss von Fleisch und Eierspeisen. Diese vierzig Tage vor Ostern sollen an den vierzigtägigen Aufenthalt Jesu Christi in der Wüste erinnern.
In dieser Zeit sammeln sich natürlich massig Eier an, die zur Konservierung hart gekocht wurden und sich durch die Färbung von frischen Eiern deutlich unterschieden. Der zu Ostern anfällige Pachtzins konnte von den Bauern in Eiern bezahlt werden: Eier satt für alle!
Das Bistum Paderborn erläuterte außerdem, dass die Tradition des Eierverschenkens bereits bei den frühen Christen verbreitet war, da hatte dies aber alles nur eine symbolische Bedeutung. Diese Eier wurden rot bemalt um an das vergossene Blut Jesu Christi zu erinnern.
Ostereier bei den alten Persern?
Dabei ist es keineswegs so, dass das Symbol des Eis eine rein christliche Angelegenheit ist: Pünktlich zum Frühlingsbeginn am 21. März feiern die Perser und Kurden Nowruz/Newroz. Auf dem dazu gehörenden Haft–Sin-Tisch, eine Art Altar, liegen sieben mit dem Buchstaben „s“ (auf farsi) beginnende Symbole, wie frisches Grün, Weizenmalz, Knoblauch, Mehlbeeren, Essig, Sumach und Äpfel. Dazu werden oft ein Spiegel, Blumen wie Hyazinthen und eine Schale mit Wasser, in der häufig ein Goldfisch schwimmt, beigefügt und eben hart gekochte, gefärbte Eier, die man Kindern schenkt.
Dr. Shervin Farridnejad vom Institut für Iranistik der FU Berlin erzählt vom Urmythos des Welteneis im Zoroastrismus, der altpersischen Religion, lange vor Christentum und Islam: Der Urgott Ahura Mazda erschuf hier die Welt als ein Ei, in dessen Mitte die Erde als Dotter lag. Sein böser Counterpart Ahriman wiederum sorgte dafür, dass auch die bösen Geister durch die Eierschale in diese Welt eindrangen. Plutarch hat diese Geschichte aus dem persischen Buch Avesta in den europäischen Raum übertragen, aber man findet die Geschichte überall, auch außerhalb des indoeuropäischen Kulturraums.
Der Wissenschaftler erzählt, dass in nahezu allen rituellen Speisen der Zoroastrier, die es auch heute noch gibt, Eier eine wichtige Rolle spielen, da sie als Nahrung für die Seelen der Verstorbenen gelten und auch eine wichtige Rolle für die Götter spielen. So sollen bei Nowruz 33 Eier für die Verstorbenen bis in die 33. Generation bereitgestellt werden.
Auch bei anderen Ritualen spielen Eier eine wichtige Rolle, Brautpaare sollen Eier auf ihr Dach werfen, die aufbrechende Schale mit Eidotter und Klar stehen auch hier für Fruchtbarkeit und neues Leben.
Bei Ostern treffen sich Okzident und Orient
Nebenbei erzählte Dr. Farridnejad noch, dass die Kinder zu Nowruz Eier in die Hand nehmen, um dann im Spiel die Eier gegeneinander knallen zu lassen, gewonnen hat der, dessen Ei heil geblieben ist. Dieses Spiel kennt man als„Eiertitschen“ zu Ostern im Rheinland und vielen anderen Regionen Deutschlands.
Wem die Ostereier noch nicht interkulturell genug sind: Von der zoroastrischen Göttin Mitra, zur semitischen Astarte, über die griechische Eos und der römischen Aurora zur germanischen Ostara (woher der Name für Ostern möglicherweise stammt) ist es zwar ein kleiner Sprung zwischen den Zeiten und Kulturen, aber allen gemein ist die Anbetung und Feier der Wiederkehr der Sonne, der Liebe und des wiederaufkeimenden Lebens.
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