Ob morgens zum Frühstück auf dem Bagel, mittags zum Salat, abends gemeinsam mit Freunden aus einer Schüssel oder nachts aus dem Kühlschrank. Bisweilen erscheint Hummus als Grundnahrungsmittel, besonders in Berlin. lebensmittelmagazin.de hat das Restaurant Kanaan im Prenzlauer Berg besucht, das kulinarische Berghain aller „Hummussexuellen“.
Irgendwo im Prenzlauer Berg, hinter den Türen einer gemütlichen Bretterbude liegt das Kanaan, ein kulinarisches Kleinod der Stadt. Oz Ben David setzt sich und stellt ein Glas Sesampaste, Tahini, auf den Tisch: „Deutsche Unternehmen sind zurückhaltend beim Handel mit Israel oder Palästina aufgrund des Nahostkonflikts. An der Stelle setzen wir an und importieren beispielsweise unsere eigene Tahini aus Kooperativen zwischen Palästinensern und Israelis, aber auch Olivenöl oder Gewürze wie Sumach, Zaatar oder Kardamom.“ Oz Ben David zeigt auf das süße Flöckchen Halva neben der Tasse Kaffee mit Kardamom auf der Untertasse: „Das ist unser letztes Projekt. Während wir bei Olivenöl und den Gewürzen auf Familienunternehmen vor Ort zurückgreifen, haben wir für Halva eine komplett neue Manufaktur gegründet, zusammen mit der palästinensischen Aktivistin Hani Gadir.“ Das passt zur Grundphilosophie des Restaurants:
„Versuche alles möglich zu machen, von dem du von klein auf gelernt hast, dass es unmöglich sei“
sagt Oz Ben David, Mitinhaber des Kanaan.
Sein Koch Rias sei früher Offizier in der syrischen Armee unter Assad gewesen, er selber war früher beim israelischen Militär.
Hummus für alle
Das Kanaan gilt als Institution für besten Hummus in Berlin. An der Wand hängt ein Plakat einer Kampagne von Coca-Cola von 2018 mit Kanaan als einem der authentischsten Restaurants von Berlin. Für Oz ist Hummus mehr, es ist ein Menschen verbindendes Element. „Jenseits des ganzen Essens wollen wir eine Welt bauen, in der wir leben wollen.“
Das Jüdische Museum Berlin unterhält ein Förderprogramm für muslimische Jugendliche, das deren Ausbildung unterstützt und finanziert und sie auf diesem Wege mögliche Vorurteile gegen Juden abbauen lässt. Einmal im Monat lädt Kanaan diese Jugendgruppen zum Essen ein. „Bei Hummus ist es wie beim Nahostkonflikt, 90 Prozent des Konflikts sind semantisch. Wenn es um Jerusalem geht, worüber beide Seiten sprechen, geht es für die einen lediglich um einen kleinen Teil des Tempelbergs, anstelle der gesamten Stadt.“
Hummus: Regionale Unterschiede bei der Rezeptur
Hummus wird in der gesamten Region überall gegessen, im Irak als Sabich, in palästinensischen Gebieten als Masabacha, in Ägypten mit Bohnen, alle reden aber von Hummus. Selbst innerhalb Israels gibt es große Unterschiede: In Gaza wird Hummus eher mit Gewürzen wie Zaatar, eine Thymian-Sesam-Mischung, gearbeitet, während in Akkon, nördlich von Haifa, Hummus mit Knoblauch verfeinert wird. Dem Einfluss irakischer Juden ist die Mango-Curry-Sauce zum Sabich zu verdanken und die scharfe Zhug stammt aus dem Jemen.
– Einen Eindruck von der Esskultur der Beduinen, gibt’s hier –
Oz Ben David steht auf, geht in die Küche und kommt kurze Zeit später mit drei Tellern wieder. Auf dem rechten Teller ist Hummus, mit Knoblauch abgeschmeckt, einem Schuss Olivenöl, Kichererbsen und einem Klecks Tahini. Masabacha heißt diese Variante.
Auf dem linken Teller geht es recht üppig zu: Sabich, mit gebratener Aubergine, hartgekochtem Ei, Zough und Mango-Curry-Sauce. Fluffiges Pitabrot israelischer Art wird dazu gereicht. Es geht dabei nicht nur darum, mit dem Brot das Besteck zu ersetzen. Oz demonstriert, soviel Hummus wie möglich auf das abgebrochene Stückchen Brot draufzuschaufeln. „Man kann stattdessen auch beispielsweise Zwiebel Stückchen, Gurkenscheiben oder Salatblätter nehmen“, erklärt er.
„Wenn wir für unsere Überzeugungen kämpfen wollen, ist Hummus unsere Waffe!“
Genug Gegenwind für Völkerverständigung
Auf die Frage, ob seine Projekte vor Ort offiziell unterstützt werden würden, kann Oz Ben David nur müde lächeln. „Ganz im Gegenteil! Es gibt keine Unterstützung, von keiner der beiden Seiten. Stattdessen dafür aber jede Menge Ärger, ebenfalls von beiden Seiten.“ Auch der Rückhalt aus der Gesellschaft lasse zu wünschen übrig, meint er. Auf dem Glas Tahini befindet sich ein kleines Herz, das die israelische mit der palästinensischen Flagge vereint. „Viele Druckereien haben deswegen den Auftrag nicht angenommen, aus Angst anschließend von anderen Unternehmen boykottiert zu werden. “ Das neueste Projekt ist eine Weinkooperative: Palästinenser bauen Reben von fast ausgestorbenen lokalen Weinsorten wie der Marawy an, deren Trauben anschließend von israelischen Familien gekeltert werden.
„Für uns sind Lebensmittel Brücken zwischen Arabern und Juden.“
Oz Ben David, Mitinhaber des Restaurants Kanaan in Berlin-Prenzlauer Berg
Das Geheimnis des perfekten Hummus
Der Hummus ist köstlich cremig. In vielen Rezepten steht, dass Kichererbsen aus ihren Hülsen geschnippt werden sollen, damit diese den Genuss nicht trüben. Oz muss grinsen: „In Israel essen wir jeden Tag Hummus, niemand stellt sich da stundenlang hin, um Kichererbsenhülsen zu entfernen. Nein, es ist einfach wichtig, die Kichererbsen ausreichend zu wässern, mindestens 16 Stunden, am besten aber schon 24 Stunden. Und dazwischen immer mal das Wasser wechseln! Außerdem sollte man eine Messerspitze Natron zum Wasser dazu tun, aber nicht das aus dem Drogeriemarkt, das hat einen unangenehmen Nachgeschmack. Außerdem sollte man darauf achten, was für Kichererbsen man nimmt. Die meisten, die man hier kaufen kann, eignen sich eher für Falafel. Das Geheimnis für guten Hummus sind gute Kichererbsen, aber auch gute Tahini, die im Idealfall mechanisch zwischen Steinen kaltgepresst wurde.“ Das Rezept für Hummus wie im Kanaan gibt es hier.
Hummus als Fertigprodukt kann Oz nichts abgewinnen: „Hummus ist für mich die Küche meiner Mutter. Bei den Supermarktprodukten wird oft mit Essig und Stärke sowie anderen untypischen Zutaten gearbeitet. Da wird auf der Welle geritten, ohne Rücksicht auf die Qualität. Das ist für mich kulturelle Aneignung.“ Die Liebe und Hingabe für dieses Gericht spiegelt sich im Menschenbild des Kanaan wider: Oz Ben David hat mit seinem palästinensischen Partner Jalil Dabit die unmögliche Idee Realität werden lassen, dass Juden und Araber, cis und trans, queer oder nicht, einträchtig zusammenarbeiten und außerdem dafür sorgen, dass Hummus in Berlin in aller Munde ist. An der Wand hängt ein schwarzes T-Shirt: „Ich bin hummussexuell“.
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