Zum umfassenden Genusserlebnis nach japanischem Vorbild gehört neben Lebensmitteln wie Tofu und Sojasauce auch das passende Essgeschirr. In Berlin-Weißensee produziert ein Zen-Buddhist seine „makelhafte“ Keramik.
„Das Absolute verändert sich nicht. Und alle Erscheinungen sind wie Träume, wie Sinnestäuschungen, wie Wolken, wie Schatten, wie Tautropfen oder wie Sternschnuppen. Und so sollten sie gesehen werden – Diamant Sutra“, hängt eingerahmt über den Regalen von Dirk Aleksic in seiner Werkstatt in Weißensee. Darunter stehen die Rohlinge von seiner Töpferscheibe. Nach einer 180-Grad-Drehung offenbart sich sein fertiges Werk: Schüsseln, Teller sowie Schalen und Becher stapeln sich im Regal, sublim-minimalistische Schönheit der Unvollkommenheit. Kein Teller gleicht dem anderen, kein Becher dem nächsten, weder in Form noch bei der Glasur.
Die Schlichtheit des Ostens
Das kommt nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis seiner ästhetischen Bildung in Japan. „Ich habe bereits als Japanologie-Student beim Studentenaustausch angefangen japanische Keramik zu sammeln“, erinnert sich Aleksic. Die Töpferei als Handwerk habe er allerdings dort nicht erlernt. „Ich bin Autodidakt und habe in der Volkshochschule angefangen, weil ich dort Töpferscheibe und Brennofen zur Verfügung hatte.“
Während er sich beruflich als Töpfer etablierte, ist er zu der für ihn entscheidenden Erkenntnis gekommen: „In Deutschland gibt es eine seltsame Dualität beim Geschirr. Zum einen bevorzugt man das schlichte weiße Fabrik-Porzellan, zum anderen sind die Produkte handwerklicher Töpferkunst oftmals knallbunt. In Japan liegen diese wesentlich näher beieinander.“ Außerdem gebe es auch große Unterschiede im Selbstverständnis: „Deutsche Töpfer führen das Werk ihrer Großväter fort, während japanische Keramikdynastien den Nachwuchs im Ausland Kunst studieren lassen, um dies in die Fortführung einfließen zu lassen. Hier habe ich direkt meine Nische entdeckt.“
Die Schönheit des Makels
Unvollkommenheit ist in Japan eines der zentralen ästhetischen Prinzipien. „Das ging bisweilen soweit, dass makellose Keramik direkt nach dem Brennvorgang entsorgt wurde und nur mit den fehlerhaften, aber funktionsfähigen Stücken weitergearbeitet wurde“, erklärt der Keramiker.
Fast beiläufig erwähnt er, dass er 12 Jahre seines Lebens in Japan gelebt hat, einen Großteil davon im Soto-Zen-Kloster, einem der beiden Hauptströmungen des Zen-Buddhismus. Hier war er zeitweise Doan, Vorsteher und zuständig für den Tagesablauf, „der sich allerdings in den hunderten von Jahren, die dieses Kloster besteht, nur unwesentlich ändert“, wie er trocken anmerkt. Ausländer kamen dorthin, um Zen zu „lernen“. Von seinem inzwischen über 90jährigen Abt erzählt er denkwürdige Anekdoten dazu: Als er und andere ankamen, sagte ihnen der Abt, dass sie bereits erleuchtet wären und sich an keine Regeln halten müssten. Er selber hätte darauf erwidert, warum er dann überhaupt gekommen sei. Dies quittierte der Abt mit: „Habe ich dich darum gebeten?“ Einen Mathematik-Professor hatte er die Aufgabe erteilt, sich wie ein Idiot hinzusetzen. Nach Wochen sei der Professor daran verzweifelt.
Sternegerichte auf makelhaftem Geschirr
Restaurants wie das Nobelhart & Schmutzig servieren ihre Sterne-Gerichte auf seinem „makelhaften“ Geschirr. Auf Instagram findet man seine schlichten Schüsseln und Teller auf den Posts internationaler Foodblogs. Ob es diese Erfahrungen sind, die die Einzigartigkeit seines Geschirrs ausmachen?
Und was kommt auf den Teller? Klassischerweise Tofu mit Sojasauce. Wie die Keramik, gibt es beides auch aus Berlin. Mehr in unseren zwei anderen Artikeln zu „Zen in Berlin“: Sojasauce aus Moabit, Tofu aus Kreuzberg.
Artikelbild (oben): Natasha Breen – stock.adobe.com (Kein Teller von Dirk Aleksic).