Schwarz, grün, weiß, gelb, Oolong oder Puh erh. So einfach die Zubereitung von Tee ist, so facettenreich ist dieses Getränk. lebensmittelmagazin.de war auf einen Tee bei paper & tea in Berlin.
Bestimmt kann man sagen, dass das Ladengeschäft von paper & tea in Charlottenburg eins der schönsten Geschäfte in ganz Berlin ist. Jetzt gegenwärtig ist es allerdings nur am Wochenende geöffnet – Exklusivtermin also bei Eduardo Molina, Teeexperte des Hauses.
Westen trifft Osten
Zur Begrüßung gibt es Imperial Dragon. „Er heißt eigentlich auf Chinesisch Long Jing, ein sehr populärer Tee, der schon in 1000 Jahre alten Büchern erwähnt wird. Das Anbaugebiet ist bei Hangzhou, eine Stunde von Shanghai entfernt und Ausflugsziel für Shanghai-Touristen“, erklärt Molina.
Die gläserne Kanne ist fast zu einem Drittel mit Teeblättern gefüllt. In kontemplativen Kreisen gießt er im dünnen Strahl das 80 Grad heiße Wasser auf. Kaum, dass die Kanne gefüllt ist, schenkt er den Tee auf beide Schalen aus. Der Konfusion entgegnet er: „Den Tee so zubereiten, nennt man die Gongfu-cha-Methode. Ziehzeit: Eine Minute ab dem ersten Tropfen. Das ist in Asien ganz gängig. Im Westen nimmt man weniger Teeblätter und lässt ihn länger ziehen. Zum Vergleich – im Westen nimmt man ein Gramm Teeblätter pro 100 Milliliter, im Osten 5 Gramm. paper & tea sieht sich hier als Botschafter einer modernen Teekultur.“
Gegen Müdigkeit und zur Beruhigung
Der Tee schmeckt leicht und nussig. „Viele erinnert der Tee an Maroni“ – exakt, stimmt! – „Um die Oxidation zu unterbinden, wird der Tee gegen heiße Platten gepresst. Das ist eine typische Methode für China, dabei erhält er seine Röstaromen. In Japan wird dazu im Vergleich der Tee gedämpft. Dadurch ist der Geschmack wesentlich zarter und blumiger. Korea dazwischen dämpft den Tee zunächst, bevor dieser noch geröstet werde.“
700 Inhaltsstoffe
Der zweite Aufguss wenig später schmeckt schon wieder etwas anders. Der Teeexperte erklärt: „Tee ist Chemie. Dabei geht es darum, wie man welche geschmacksbildenden und färbende Inhaltsstoffe durch Wassertemperatur und Ziehzeiten aus den Teeblättern löst. 700 Inhaltsstoffe sind im Tee nachgewiesen.“ Auf Teein angesprochen, stellt er sofort richtig: „Seit 70 Jahren wissen wir, dass es sich hierbei um Koffein handelt. Ein anderer Stoff der manchmal Teein genannt wird, ist L-Theanin. Interessanterweise soll dieser Stoff eine beruhigende Wirkung haben, während uns Koffein übrigens nicht wachmacht, sondern uns glauben lässt, nicht müde zu sein. Aus gutem Grund ist Tee das Getränk zur Meditation.“
Eduardo Molina ist ausgebildeter Sommelier, allerdings habe er schon als Kind leidenschaftlich gerne Tee getrunken. „Ich habe nie mit Wein gearbeitet. Wegen paper & tea bin ich nach Berlin gezogen vor 3 Jahren, vorher lebte ich in Taiwan.“ Bei Taiwan klingelt es: die Teespezialität Oolong.
Heißes Wasser ist nicht heißes Wasser
Zuvor aber noch eine andere Frage: Bei einem Teebeutel ist es klar – Wasserkocher an, wenn das Wasser kocht, Wasser in die Tasse, Teebeutel rein, fertig. Bei Teespezialitäten sind die Empfehlungen für Wassertemperatur weitaus niedriger. Worin liegen die Unterschiede und Gründe? „Viele Tees sind empfindlich mit leichtem Aroma, die den Geschmack schon bei niedrigeren Temperaturen abgeben und der durch höhere zerstört werden würde. Andere Tees wiederum benötigen die hohen Temperaturen um erst ihre Strukturen aufzubrechen, um den Geschmack abgeben zu können.“ Bei Schwarztees sei dies sehr oft der Fall, aber auch nicht immer.
„Bei der Einstellung unserer Mitarbeiter müssen diese ein 30-stündiges Training absolvieren. Eine Teilnehmerin war neulich irritiert davon, dass ich einen Darjeeling bei 80 Grad aufbrühte. Schwarztee werde doch immer mit kochendem Wasser gebrüht. Ich demonstrierte ihr den Unterschied. Tatsächlich sitzen wir aber stundenlang und testen die optimale Zubereitung aus. Natürlich ist es letztendliche Frage des persönlichen Geschmacks.“
Der Wassertemperatur wegen hat Eduardo Molina ein paar Methoden jenseits des exakt temperierten p&t-Wasserkochers: Am einfachsten, wenn gleich am langwierigsten sei es, kochendes Wasser bis zur gewünschten Temperatur stehen zu lassen. Dies lässt sich beschleunigen, indem das Wasser in einen Krug umgefüllt wird und dann im hohen Bogen wieder zurückgeschüttet wird. „Pro Guss verliert die Temperatur 2 Grad, das macht man dann eben ein paar Mal … Natürlich kann man auch einfach kaltes Wasser dazumischen.“
Beim Wasser empfiehlt er grundsätzlich gefiltertes Wasser zu nehmen. So entstünde bisweilen dieser unschöne Belag auf dem Tee infolge harten Wassers, der allerdings auch von unzureichender Aromatisierung herrühren könne. „Hier in Berlin ist die Wasserqualität hervorragend, wobei durchaus Unterschiede in den jeweiligen Stadtteilen bestehen, die sich durchaus auf den Tee auswirken. In meiner Heimatstadt Santiago de Chile wird das Wasser chloriert, was natürlich die Filtrierung dringlicher macht.“
Tee weltweit
Auf Wunsch kommt der nächste Tee aus Kenia. Tee werde inzwischen weltweit angebaut, auch in Europa, in Portugal, Italien und Spanien. Die nördlichste Teeplantage liege in Schottland. „Es gibt auch eine in der Nähe von Köln, im Bergischen Land, welche ich vor kurzem erst besucht habe“, erzählt der Tea Master. Die Produktion der einzelnen Teesorten sei prinzipiell überall möglich. Bedingt durch Witterung, Lage und Teekulturpflanze entscheidet man sich aber meist für eine Spezialisierung. So sei beispielsweise mit weißem Tee ursprünglich nur eine chinesische Teespezialität gemeint gewesen, inzwischen verstünde man darunter Tee, der am wenigsten verarbeitet ist, sondern nur getrocknet wird. Dazu werden die edelsten Teile der Teepflanze, die Knospen zum bestmöglichen Zeitpunkt geerntet.
Ein anderes Beispiel ist der bereits erwähnte Oolong. Eduardo Molina schwärmt: „Dieser Tee hat für mich die größte geschmackliche Vielfalt. Zunächst lässt man ihn stundenweise oxidieren, was mit Erhitzung beendet wird. Der Tee kann floral wie grüner Tee sein, aber auch eine rostrote Tasse mit dem reichhaltigen Geschmack schwarzen Tees haben, allerdings ohne die Adstringenz vom schwarzen Tee. Wir sagen dazu: Grüner Tee im Mund, schwarzer Tee in der Nase.“
Auf die Frage nach gelbem Tee lächelt er faunhaft: „Das ist das letzte Geheimnis über Tee, dass die Chinesen für sich behalten. Was wir wissen, ist, dass er ein bisschen oxidiert ist und ein bisschen erhitzt wurde aber sonst ist irgendwie alles anders. Aber gelber Tee ist eine Spezialität, weniger als 1 Prozent der gesamten Tee-Produktion fällt darauf. Es ist wirklich etwas Besonderes, wenn man die Gelegenheit hat, ihn zu kosten.“
Dann gebe es noch Pu erh und schwarzen Tee, die man nicht miteinander verwechseln sollte, auch wenn Pu Erh auf Chinesisch schwarzer Tee bedeutet und schwarzer Tee in China roter Tee heißt. Pu Erh wird aus Assamteeblättern fermentiert. Schwarzer Tee ist voll oxidiert. „Das muss man sich wie beim Apfel vorstellen, der angeschnitten braun wird. Auch wenn schwarzer Tee leicht und floral sein kann oder kräftig und vollmundig, hat er immer das adstringierende, das den Mund etwas zusammenziehen lässt.“
Mehr als nur Teebeuteltee
Die zweite Probe, der kenianische Tee heißt Savanna Gold. „Kenia ist das drittgrößte Teeanbaugebiet weltweit, das bedingt durch die Kolonialgeschichte aber zumeist Teebeutel-Qualität produziert. Inzwischen gibt es aber auch hier Bauern, die Spitzenqualitäten erzeugen. Die kenianischen Bauern sind nach Yunnan in China gefahren und versuchen den dortigen Yunnan Gold zu imitieren. Hier in Äquatornähe erhalten die Pflanzen viel Sonne und entwickeln einen Karamellgeschmack, allerdings ohne die Adstringenz eines Assam.“
60 bis 70 Prozent seines Sortiments importiert paper & tea weltweit direkt beim Bauern, zumeist handgepflückte Spezialitäten. Umso überraschender, dass ausgerechnet japanischer Grüntee vollständig maschinell geerntet wird. „Handernte wäre in Japan unbezahlbar. Hier entstehen lediglich 2 Prozent der Weltproduktion und 95 Prozent davon bleiben im Land“, erklärt der Teeexperte.
Rasch brüht Eduardo Molina Savanna Gold auf, dessen Name von der Farbe der Tasse bestätigt wird, leicht, aber charaktervoll.
Wie Tee richtig lagern?
Bevor die Teestunde mit Oolong abgeschlossen wird, hat der Tea Master noch einen Ratschlag für den Teegenuss zu Hause: „Die fünf Gegner des Tees sind Sauerstoff, Hitze, Licht, Feuchtigkeit und andere Gerüche. Dementsprechend ist die Küche keinesfalls ein guter Ort um Tee zu lagern, gerade nicht in der Nähe von Gewürzen. Man wird zwar nicht krank davon, aber der Qualitätsverlust ist immens.“
Mehr Tee als man kennen kann
Die Oolong-Blätter sind wie Gunpowder-Grüntee zu Kügelchen zusammengerollt. Molina gießt sie mit beinahe kochendem Wasser auf. „Dieser Tee benötigt die Hitze um sich zu entrollen und kann dann erst seine Inhaltsstoffe freigeben.“ Der Tee schmeckt kräftig floral und erinnert an den Duft von Freesien, „nach weißen Orchideen“, meint der Tea Master. „Ich habe keine Lieblingstee, aber wenn ich wählen müsste, dann wäre es taiwanesischer Oolong. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Man kann nicht so lange leben, um alle Tees kennenzulernen.“
Tee trinke man in China seit 2737 vor Christus. Die Legende besagt, dass dem chinesischen Kaiser Schen Nung zufällig ein paar Blätter vom Teestrauch ins heiße Wasser gefallen sein sollen und dieser vom Geschmack und der Anregung wohl angetan war. 3.000 Jahre lang tranken allein Chinesen Tee. Dagegen ist Indiens Geschichte des Tees im Himalayagebiet mit 200 Jahren geradezu jung. Aber sie haben schnell aufgeholt, 15 % der Teeproduktion stammt aus Assam. „So unterschiedlich Tees aus Assam und Darjeeling sein mögen, zwischen beiden Regionen liegen nur 150 Kilometer, aber 1000 Meter Höhenunterschied“, schmunzelt Eduardo Molina und nimmt noch einen Schluck Tee.