Trotz des Rückgangs von Bäckereibetrieben in den letzten Jahren, findet man hier und da doch noch Bäckereien, die ihr Handwerk verstehen und tagtäglich ausüben. Zum Tag des Deutschen Brotes hat lebensmittelmagazin.de die „kønigliche Bäckerei“ mitten in Rixdorf (Berlin-Neukölln) besucht.
Die Backstube ist erfüllt vom weihnachtlich anmutenden Zimtduft. Schuld daran sind die frischgebackenen Zimtschnecken, die gerade auf den Wagen ausdampfen. Auf dem Backbrett liegt seit einer Stunde ein riesiger Batzen Mais-Walnussteig. Jetzt sticht Bäcker Michael Köser einen Spatel einzelne Ballen ab, wiegt sie auf einer mechanischen Waage. Mitarbeiter Stefan knetet sie noch mal in Maisgrieß durch und packt sie in Kastenformen in Verbände. Heute ist das Gas ausgefallen, zum Glück sind die Bäckeröfen elektrisch, aber für heißes Wasser wird heute der Wasserkocher benötigt.
Der Laden öffnet zwar erst gegen 9 Uhr, aber die ersten Kunden kommen schon jetzt die halbe Stunde vorher. Hier backen sie jeden Tag fünf Brotsorten im Wechsel alle zwei Tage. Die Rosinenbrötchen sind an der Reihe. Den Teig hatten sie bereits am Vortag angesetzt und über Nacht in die Kühlung bei 5 Grad Celsius geschoben. Teamarbeit: Der eine sticht die Brötchen portionsweise ab, der andere knetet sie noch mal durch, bevor sie auf dem Backblech landen. Am Ende noch mit Eistreich abgeglänzt, das sind verquirlte Eier mit ein wenig Salz und der Hälfte an Wasser. Zum Schluss erhalten sie drei Einschnitte. „Das vergrößert die Oberfläche beim Backen“, erklärt Bäcker Stefan.
Familienfreundliche Arbeitszeiten
Es ist Zeit für die Roggenmischbrote, im Ofen gebacken zu werden. Der wird dafür von 270 auf 220 Grad runtergekühlt. Bevor die Ofenklappe sich schließt, sprüht der Bäcker Wasser hinein, „das Wasser kondensiert auf der Kruste und macht sie so elastischer“.
Zwei Kundinnen betreten die Bäckerei. Angesichts des Dufts schließt die ältere Dame die Augen für einige Augenblicke. „Ich bin Bäckerstochter“, erklärt sie. Etwas wehmütig erinnert sie sich daran, wie die Arbeitszeiten ihres Vaters früher waren: „Er war dann schon gegen 10 Uhr vormittags müde.“ In der „køniglichen Backstube“ haben sie die Arbeitszeiten auf tagsüber verlegt.
„… damit wir auch etwas von unseren Familien haben. Dafür ist dann eben morgens noch nicht alles fertig. Unsere Kunden verstehen das aber und kommen eben später noch einmal vorbei“,
freut sich Bäcker Stefan.
Längere Teigführung zur Qualitätsverbesserung
Der Teig für Baguette und das Rusticobrot kommt aus der Kühlung, wo es seit gestern Abend gegärt hat. Bäcker Michael Köser erklärt:
„Die Langzeitführung sorgt für ganz andere Aromen und das Weizeneiweiß wird auch ganz anders aufgeschlossen. Das sorgt dafür, dass es wesentlich besser vertragen wird und außerdem hält es sich auch länger. Unser Weizenbrot hält bis zu drei Tage.“
Wieder wird portionsweise abgestochen und der andere tretet und faltet den Teig zu Baguetterohlingen, die auf dem Backblech zwischen den Falten eines Tuches liegen, ähnliches geschieht im Anschluss mit den ovalen Rusticobroten.
Backferment für milderes Brot
In der 120 Liter fassenden Rührschüssel setzt Bäcker Köser jetzt den Teig für sein Gerstendinkelbrot an. Zur gekochten Gerste kommt Backferment, dem Sauerteig ähnlich, aber es enthält Milchsäure, die flüchtiger ist als Essigsäure und so das Brot milder macht.
Auch wenn seine Bäckerei nicht biozertifiziert ist, verwendet er ausschließlich Bioprodukte und bezieht sein Mehl direkt von einem Müller aus dem Spreewald.
Handwerk als Antwort auf Unverträglichkeit?
Eine Kundin spricht mit Bäckereiverkäuferin Nina über die Unverträglichkeit von Broten, ein großes Thema heutzutage. Nina weist die Kundin darauf hin, dass auch Dinkel durchaus Gluten enthält, aber sie empfiehlt auch, ihr handwerkliches Brot im Vergleich zum Industriellen zu testen.
Hinten in der Ecke wird derweil der Teig für die morgigen Zimtschnecken angesetzt. Daneben steht eine offene Deckelkiste mit Sauerteig dessen Geruch einem stark entgegenschlägt, „den mache ich morgens als erstes für das Krustenbrot.“
Herzblut und Stolz aufs Handwerk
Michael Kösers Opa war bereits Bäcker, er selber hat Bäckereitechnologie studiert. Auf die Frage nach seinen Erfahrungen in der Industrie grinst er vielsagend. Die ganze Zeit über spürt man, dass hier mit Herzblut und Stolz aufs Handwerk gearbeitet wird.
Vor drei Jahren hat Michael Köser die Bäckerei eröffnet. Neben der Tür zur Bäckerei hängt eine güldene gekrönte Brezel. „Die habe ich mit meiner Tochter aus Pappmaché, Füllschaum und Gips selber gebastelt, die Krone war vorher ein Eimer.“ Daher stammt auch das „königliche“ im Namen, das „ø“ ist eine Reminiszenz an den dänischen Hintergrund in seiner Familie, immerhin: Hier gibt es keine Brötchen sondern Boller.
Virtuos elegant und routiniert
Letzte Handlung für die Tagesproduktion ist die Herstellung der Croissants. Dafür fährt Bäcker Stefan den gefalteten Plunderteig mehrfach durch eine mechanische Knetrolle, bis er eine Dicke von ungefähr 3 Millimeter hat. Mit einen Kombiteigrad schneidet er so insgesamt 32 Dreiecke aus einer Teigbahn. Virtuos elegant und routiniert rollt der Bäcker die Croissants gleichförmig auf. Bis morgen früh dürfen sie anschließend in der Kühlung noch gehen.