Wie eine Eismanufaktur in Berlin-Spandau seit über 90 Jahren Speiseeis produziert, heute sogar CO2-neutral, und was es mit dem bekannten Hirnfrost beim Eisessen auf sich hat. Unser Artikel rund ums Eis.
36 Grad und es geht noch heißer … wen wundert‘s, dass sich lebensmittelmagazin.de bei der Recherche zur Eiscreme etwas abkühlen musste. Wir empfehlen, den Artikel bei einem großen Eisbecher zu lesen. Aber schnell, sonst ist alles zu Eismatsch zusammengeschmolzen.
Eiscreme schon in der Antike
Eiscreme war bereits in der Antike bekannt. Gletscherschnee aus den Appeninen wurde mit Honig, Früchten und Rosenwasser zu einer köstlichen Nachspeise zubereitet, wie der griechische Dichter Simonides von Keos überlieferte. Auch bei Alexander dem Großen und Hippokrates lassen sich Nachweise des Sommerdesserts finden. Mit dem Untergang des Römischen Reiches verschwand auch das Wissen um Speiseeis in Europa zunächst.
Erst die Kreuzfahrer brachten mit Sirup versetzten Schnee aus dem Orient mit nach Hause. Das auf Arabisch genannte Sherbet etablierte sich und wurde zu unserem heutigen Sorbet. Parallel dazu hat sich auch im chinesischen Kaiserreich die Kunst der Eiscreme weiterhin halten können, so findet man heute in Japan Kakigori, geschabter Schnee, der im Becher mit Sirup (auch süßer Sojasoße) serviert wird.
Mit Eiscreme gegen den Klimawandel
Jenseits von Spandau mitten auf der grünen Wiese liegt das Eiscreme-Eldorado von Florida-Eis. Die Armada von Tiefkühlbusse und LKWs saugen ihren Strom an der Ladestation vor dem Werk. Der Inhaber Olaf Höhn empfängt regelmäßig Delegationen aus aller Welt, aber auch Bundeswehrzüge oder Schulklassen, denn seine Eiscremefabrik ist als Klimaschutzunternehmen Musterbetrieb der Bundesregierung.
Eis aus Spandau, seit bald 100 Jahren
Dabei, so schmunzelt er, sitzt das Unternehmen bald hundert Jahre am selben Standort in Spandau, seit 1927 in der Klosterstraße. Und auch heute noch stammen viele Rezepte der Eiscreme aus den 1950er Jahren, oder sind noch älter. Der Name Florida-Eis stammt aus den 1980ern, der Zeit, als er das Geschäft übernommen hat und seine Frau die Serie Miami Vice schaute.
Man merkt recht schnell, dass ihm Nachhaltigkeit jenseits von Marketingstrategien mindestens ebenso am Herz liegt wie die Eiscreme:
„Als Maschinenbauer habe ich gelernt, dass alles ein Kreis ist, die Ökologie, die Qualität unseres Produkts und damit verbunden die Handarbeit, denn, sagen Sie was Sie wollen, ich bin davon überzeugt dass ein handwerkliches Produkt immer ein bisschen besser ist als ein Industrielles“,
meint Olaf Höhn, Inhaber von Florida-Eis in Berlin-Spandau
Eisproduktion in Handarbeit
Und tatsächlich findet man jenseits der Schleuse keinerlei automatische Fertigungs- und Abfüllanlage, keine Roboterarme. Vielmehr erinnern die gesamten Prozesse an eine überdimensionale Eisdiele. „Automatisierung geht immer zu Lasten des Produkts“, ist der Eiscreme-Fabrikant überzeugt.
In 350-Liter-Kesseln kocht Milch beziehungsweise wird die Mischung bei 85 Grad pasteurisiert. Anschließend reift die Melange drei bis vier Stunden im Kessel, bevor sie via Eismaschine am anderen Ende als kalte, köstliche Eiscreme ans Tageslicht tritt. Vor den Maschinen spachteln die Arbeiter emsig die Eiscreme in die jeweiligen Becher, bevor sie am Fließband Richtung Stickstofftunnel laufen: Vanille, Cookies, Schokolade, Mango und Lime Pie.
„Mangoeis hat Erdbeere verdrängt“,
sagt Olaf Höhn.
Bis zu 50.000 Eiscremedosen pro Tag
Im Raum dahinter türmen sich daraus Eisberge auf einem spiegelglatten Permafrostboden und warten bis zur Auslieferung. In Spitzenzeiten produzieren sie innerhalb eines Tages 40.000 bis 50.000 solcher Eiscremedosen.
CO2-neutrale Eisproduktion
Im Gegensatz zu seiner Eiscremeproduktion, ist die Florida-Eis-Fabrik trotz allem bestens technisch ausgestattet, allerdings zur Rückgewinnung von Energie, so dass die Firma damit werben kann CO2-neutrales Eis zu produzieren. „Es macht mir gerade zu Spaß mich für den Umweltschutz zu engagieren und gleichzeitig ein Premiumprodukt herzustellen“, verkündet Olaf Höhn stolz.
Das positive Feedback erhalte er auch von den Kunden. Denn Florida-Eis – das bekannt dafür ist, aufgrund des geringen Einsatz von Bindemitteln von 0,1 bis 0,2 Prozent knüppelhart zu sein – freut sich mittlerweile über ein Umsatzwachstum von 20 Prozent. Seine Transporter laufen mit Eutektik, einer Kühltechnik, die ausgesprochen effizient immer wieder aufgeladen werden kann. Und gegenwärtig sind sie dabei, den ersten LKW mit elektrischem Antrieb und eutektischer Kühlung zum Einsatz zu bringen.
Während sich Olaf Höhn gegen den Klimawandel engagiert, beschert genau dieser ein bundesdeutsches Mengenwachstum von 11,8 Prozent beim Absatz mit Speiseeis im vergangenen Jahr.
Schmerz lass nach: Wie kommt es zum Brainfreeze?
Was der eine oder andere Eiscremegenießer bestimmt kennt, ist das sogenannte Brainfreeze. Man hat zu viel Eiscreme gleichzeitig im Mund und es zieht sich alles zu einem relativ kurzen und dafür umso heftigeren Schmerz zusammen – Brainfreeze eben. Warum ist das so? Die Psychiaterin Christine Schnitzler Welk erklärt: „Brainfreeze ist ja ein Phänomen, dass einen Kopfschmerz nach dem Genuss von etwas Kaltem beschreibt“. Viele Kopfschmerzen lassen sich demnach mit einer Veränderung der Gefäßsituation erklären. Auch beim klassischen Kater gehe man davon aus, dass über die Austrocknung nach dem treibend wirkenden Alkohol die entsprechende Veränderung der Durchblutung der Hirnhäute den Schmerz auslöst.
Wenn man ein Gefäß abkühlt, dann verengt es sich. „Schon dies schmerzt bereits, betrifft aber eher die Schlund- und Rachengefäße im Fall von Eisessen. Damit es zu keiner Abkühlung im Hirn kommen kann, muss der Körper aber trotzdem reagieren, indem er beispielsweise schneller oder mit erhöhtem Druck Blut pumpt. Und das kann beides Kopfweh auslösen, obwohl es streng genommen erstmal völlig ohne pathologischen Wert ist“, so Schnitzler Welk. Also beim nächsten Mal, entweder vorsorglich das Eis in geringeren Dosen löffeln. Oder den harmlosen Schmerz tapfer ertragen. Länger als eine Minute sollte es sowieso nicht dauern.
Orientalische Eiscremespezialitäten jenseits von Fürst Pückler
Über die Eiswaffel hinaus lohnt sich auch heute noch – wie einst bei den Kreuzrittern im Orient – der Blick auf Eiscreme-Spezialitäten aus dem nahen und mittleren Osten: Eine Delikatesse der besonderen Art haben beispielsweise die Perser parat mit ihrem Bastani, einem leuchtend gelben Safraneis, in dem sich karamellisierte Pistazien verstecken. Ebenso bekommt vermutlich jeder Syrer leuchtende Augen beim Stichwort Bakdash, einer legendären Eisdiele im Herzen von Damaskus. Geharztes Sahneeis wird stundenlang gestampft, bis es eine eigentümliche, fast kaugummiartige Konsistenz hat. Zu guter Letzt wird die Eiswaffel durch frische Pistaziensplitter gewälzt – der Himmel auf Erden!