Es ist Januar und Internationale Grüne Woche in Berlin. Die Massen strömen zur Landwirtschafts- und Ernährungsmesse, bewaffnet und willensstark wie seiner Zeit als Jäger und Sammler. Wir haben uns ins bunte Treiben gestürzt und die von der Messe vorgeschlagene Klimatour gemacht. Lösungsansätze und Strategien gegen den Klimawandel im Blick.
Montagmorgen – eigentlich sollten sie im Klassenzimmer sitzen und Klassenarbeiten schreiben, stattdessen tummeln sich Berlins Schüler scheinbar allesamt in der Halle vom ErlebnisBauernhof, besteigen klimafreundliche Traktoren und Erntemaschinen, nehmen an Workshops wir Kinderkochkursen teil oder streicheln Kälber, die man sonst auch eher selten in der Großstadt sieht – Start für die Klimatour.
Am Stand der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie und des Lebensmittelverbands Deutschland präsentieren Unternehmen aus Industrie, Handel und Gastronomie ihre Strategien und Konzepte für mehr Nachhaltigkeit: McDonald‘s leistet Überzeugungsarbeit mittels Erdbeer- und Schokoladeneis in der Waffel, um zu demonstrieren, dass zukünftiger Fast-Food-Genuss keine Müllberge mehr hinterlassen muss. Danone präsentiert seine zukünftigen Flaschen aus 100 Prozent recyceltem PET und sein Engagement und Sponsoring von Wasserbiosphären. Die Rewe setzt wiederum auf Regionalität der Handelspartner, um die Logistik zu reduzieren. Nestlé nutzt die Grüne Woche zur Promotion veganer Fleischersatzprodukte mit Currywurst und Chili sin Carne für alle.
Besuch beim #Lebensministerium
Gar nicht so laut, dafür als Konzept sehr interessant präsentierte sich eine Ecke weiter Novocarbo. Das Startup-Unternehmen nutzt aus Biomasse hergestellte Holzkohle, die im ersten Schritt als Einstreu die Ammonium-Bildung bei der Tierzucht verhindern soll. Dies gelingt, indem sie die Stickstoffverbindungen an die Holzkohle bindet, welche im zweiten Schritt bei der Düngung die Nährstoffe im Boden hält und somit auch weniger das Grundwasser belastet.
In der nächsten Halle präsentierten sich die vielen Institute unterm Schirm des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Auf den vielen Ständen führten sie den Besuchern unter dem Slogan „Du entscheidest“ vor Augen, inwieweit Entscheidungen als Verbraucher Einfluss auf Nachhaltigkeit haben. Bei der Initiative „Zu gut für die Tonne!“ beispielsweise lernen Besucher unter Anleitung, ihre Sensibilität für die Lagerung und Frische von Lebensmitteln zu verbessern. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie verweist auf einen Interessenkonflikt zwischen Abfallerrsparnis und Schutz der Lebensmittel. Ziel sei es, bei der Problematik „den Verbraucher mit der Nase drauf zu stupsen“, erklärt Dr. Antje Töpfer.
Blick in die Zukunft
Nach den Verbrauchertipps des Bundesministeriums führt die Klimatour zum Stand der jugendlichen Helden von Fridays for Future, die mit Plakatbrettern und Parolen ihren Kampfgeist sichtbar machten.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung präsentiert im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2020 unter dem Leitthema Bioökonomie diverse Forschungsprojekte. Besondere Aufmerksamkeit gewann food4future, die unterschiedliche Ansätze für die Herausforderung auch zukünftig eine ausreichende Lebensmittel Versorgung zu gewährleisten untersuchen. Salicornes, bislang bekannt als raffinierte Beilagen zu Fischgerichten, und Makroalgen sind beispielsweise die wissenschaftliche Antwort auf das Problem der rückläufigen Süßwasserressourcen. Also jetzt Gemüse aus dem Meer, ein Konzept, das in Japan beispielsweise schon jahrhundertelang verfolgt wird. Aber auch alternative Anbaumethoden und Flächen sind im Fokus der Wissenschaftler. Wenn es nach ihnen geht wird demnächst das Gemüsebeet in Kellern und U-Bahnschächte verlagert. Die Fotosynthese übernehmen dann UV-LEDs. Quallen als Proteinlieferanten und Grillen als restmüllbeseitigende Eiweißquelle – klingt ziemlich abgefahren, aber wer weiß, lebensmittelmagazin.de bleibt dran!
– Wie Algen als Lebensmittel produziert werden, liest du hier. –
Mal eben nach Madagaskar
Einen interessanten Abschluss der Tour beschert das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit. Den Gang in die Klimabubble, inmitten von paradiesischem Grün, beschert eine eindrucksvolle Reise nach Madagaskar mittels VR-Brille. Wem die Folgen der Klimaveränderung bereits hierzulande nicht gravierend genug sind, hat so die Möglichkeit, sich eines Besseren belehren zu lassen. Die Reise beginnt in einem ausgetrockneten Flussbett und einer Rinderherde auf der Suche nach Futter. Es war nicht nur Einbildung, tatsächliche bläst einem die warme Luft ins Gesicht. Die wirtschaftlichen Folgen für die Menschen Madagaskars werden vom Rikschafahrer während einer Tour durch Anatanarivo erzählt. Ein Fischer stellt eindrucksvoll dar, wie seine Landsleute aus Mangel an wirtschaftlichen Alternativen drohen, die Fischbestände der Insel zu überfischen. Aber das scheinbar unmittelbare Erleben, mitten in einer Heuschreckeninvasion zu stehen und Zeuge des Kahlschlags zu werden, ist schier atemraubend. Ganz großes Kino!
Bäumepflanzen für Messebesucher
Unter diesem Eindruck wich die Tour dann vom vorgesehenen Plan ab, einmal quer über die ganze Messe zu den Gärtnern zu gehen. Stattdessen gab es einen Eine-Welt-Reisepass und die Aufgabe, unter den zahlreichen Partner Ständen des Ministeriums Stempel zu sammeln, um dann mit ausreichender Anzahl dann einen Baum pflanzen zu lassen.
Das Siegel Grüner Knopf beispielsweise gewährleistet Kleidung aus sozial und ökologisch nachhaltiger Herstellung. Ganz oft kann man dann ins Gespräch komme, wie bei der Rewe, die ebenfalls bei einer breiten Produktpalette auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit setzt. Beim Origami-Kranich-Falten und Quizfragen-Beantworten beim Naturschutzbund Deutschland kam es dann auch zum netten Austausch.
Am Ende der Recherche kam dann also auch noch ein Baum dazu. Der CO2-Fußabdruck-Rechner des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ergab jedoch den Bedarf von 1,92 Bäumen. Es besteht also nach wie vor und mehr denn je Bedarf zur Rettung Klimas.