Vanillin ist einer der beliebtesten Duft- und Aromastoffe. Aber echte Vanille ist rar und teuer, weshalb oft stattdessen auf naturidentisches Vanillin aus anderen Quellen gesetzt wird. Jetzt hat ein Chemiker ein Verfahren entwickelt, Vanillin umweltverträglich, effizient und ressourcenschonend, aber vor allem unglaublich günstig herzustellen. Immer der Nase nach!
Update (21. Januar 2021): Der Deutsche Aromenverband hat zu dem vermeintlich neuen Verfahren zur Herstellung natürlichen Vanillins aus dem Holzbestandteil Lignin ein Fachpapier veröffentlicht. Aus Sicht des Verbands ist das elektrochemische Verfahren nicht zur Herstellung eines natürlichen Aromastoffs im Sinne der EG-Aromenverordnung Nr. 1334/2008 geeignet.
Kaum ein Aroma und Duft verführt so sehr wie Vanille. Ob im Parfüm, in der Schokolade, Kerze oder im Weihnachtsgebäck. Das erste Mal in europäische Münder und Nasen kam Vanille 1520 nach der Eroberung Mittelamerikas durch Hernando Cortez. Zuvor würzen die Azteken ihre Schokolade mit der Orchideenschote. Nach Safran ist Vanille das weltweit teuerste Gewürz.
„Vanille gehört zu den wichtigsten Duftstoffen, den bereits Babys im Mutterleib über die Plazenta erleben. Nur wenige Menschen mögen keine Vanille“, erklärt Siegfried Waldvogel, Professor für Chemie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Nun hat er zusammen mit seinem Forschungsteam eine neue, effiziente und dabei umweltschonende Methode entwickelt, Vanillin herzustellen – aus Lignin, einem Abfallprodukt der Zellstoffproduktion. Dieses wird mit Professor Waldvogels neuer Methode mit Natronlauge auf 160 Grad Celsius erhitzt und mit Nickel-Elektrolyse zu – so der Chemiker – „hochfeinem, natürlichen Vanillin“ oxidiert.
Der Möglichkeiten viele, aber …
Abgesehen vom Vanilleextrakt, natürlichem Vanille-Aroma, gewonnen aus den fermentierten Vanilleschoten, wird Vanillin noch anderweitig natürlich gewonnen, beispielsweise aus Ferulasäure, basierend auf Reiskleie, aber auch beispielsweise synthetisch aus Guajacol, einem Erdölprodukt. „Allerdings ist Ferulasäure teurer als Vanillin und von Erdöl nimmt man Abstand, weil als Beiprodukt Chlorverbindungen entstehen, die möglicherweiseChlorakne auslösen könnten. Und auch das ähnliche Ethylvanillin ist verschwunden, es wird über die Leber abgebaut und da ist man auch etwas vorsichtiger“, gibt Professor Waldvogel zu bedenken.
Dabei ist Lignin als Vanillin-Rohstoff keineswegs neu, „bereits vor 100 Jahren synthetisierte ein Mann namens Freudenberg erfolgreich Vanillin aus Lignin mit Hilfe von Nitrobenzol, allerdings zusammen mit giftigen schwer lösbaren Nebenprodukten.“ Bei Lignin handelt es sich um einen Stoff, der die Pflanzenfasern in Bäumen vor dem Aufquellen durch Feuchtigkeit schützt. Holz besteht zu rund einen Drittel aus Lignin. „Er ist beispielsweise verantwortlich für den spezifischen Geruch alter Bücher“, erklärt Professor Waldvogel. Mit der neuen Methode liegt der Vanillin-Ertrag bei 4 Prozent. „Aber wenn man sich beispielsweise das Zellstoffwerk in Stendal anschaut, das circa vier Millionen Tonnen Holz im Jahr verarbeitet, würde die neue Technik – auf die Spitze getrieben – den weltweiten Bedarf mehr als doppelt decken.“
Weltweiter Vanille-Boom
Aktuell gebe es zwei Probleme: die Nachfrage steigt und die konventionellen Rohstoffe schrumpfen. „Der Markt ist unglaublich schnellwachsend. Lag die weltweite Nachfrage 2009 noch bei 15.000 Tonnen pro Jahr, so ist sie jetzt auf 20.000 bis 24.000 Tonnen gestiegen, laut Borregaard, verantwortlich für ein Drittel der weltweiten Vanillin-Produktion aus natürlichen Rohstoffen“, erklärt Siegfried Waldvogel. „1.000 bis 4.000 Tonnen Vanillin werden allein von der Pharmazie als Ausgangsprodukt für Medikamentenwirkstoffe, beispielsweise bei L-Dopa, ein Medikament gegen Parkinson, benötigt.“
In Asien sei bis vor kurzem Vanille als Geschmack vollkommen unbekannt gewesen. Jetzt aber, mit dem Schokoladen-Boom, wächst auch das vitale Interesse an Vanillin, das eingesetzt werde, um Kakao als Rohstoff einzusparen. „Wie viel Vanillin in der Lebensmittelwirtschaft und für Drogerieartikel, wie Kosmetika und Reinigungsmittel eingesetzt wird, lässt sich nur mutmaßen. Man hält sich diesbezüglich sehr bedeckt. Gerade für Parfums und ähnliche Duftartikel spielt Vanille eine prominente Rolle. Obwohl einmal jemand aus der Parfüm-Industrie zu mir sagte: ‚Es wird weitaus weniger Vanille verwendet, als vermutet, das meiste ist Wasser und Alkohol‘“, schmunzelt der Chemie-Professor.
Risiko Marktkollaps?
Befürchtungen seitens des Aromenverbands, Professor Waldvogels Lignin-Vanillin könne aufgrund der Aromenverordnung nicht als natürliches Vanillin-Aroma klassifiziert werden, lassen den Chemiker emotional kalt: „Das ist eine Frage der Semantik von Juristen auf europäischer Ebene. In der Analyse werden sie Vanillin auf Basis von Lignin, einem natürlichen Rohstoff, nicht von Vanillin aus dem Vanilleextrakt unterscheiden können.“
„Von Anfang an stand die Vorgabe unseres Forschungspartners BASF im Raum, die Kosten im sehr engen Rahmen zu halten, bei einer Gewinnspanne von 1 bis 2 Prozent, was zu Beginn eine große Herausforderung war. Gegenwärtig beträgt der Kilopreis bei Abnahmemengen in industrieller Dimension 15 bis 20 Euro. Selbst bei der Hälfte des Preises wäre das Verfahren gewinnbringend“, meint Waldvogel.
Vanillin-Produktion als Add-on für Zellstoffwerke
Innerhalb der kommenden zwei Jahre soll die Technik in Mainz und in Trondheim in die Praxis gehen und Multikilogramme Vanillin produzieren, „vor allem aber auch Daten um eine große Anlage zu konzipieren“. Glücklicherweise sei es so, dass für die neue Vanillin-Verfahrenstechnik kein komplett neues Werk richtet werden muss, „sondern für schätzungsweise 10.000.000 Euro ein Add-on ans Zellstoffwerk implementiert werden müsste“, schätzt Professor Waldvogel. „Zusätzlicher Vorteil ist, dass bei diesem Verfahren der Rest nach der Abscheidung der 4 Prozent Vanillin wieder in einem Kreislauf der Vanillin-Produktion zurückgeführt wird. Nichts ist heutzutage schlimmer, als ein Abfallprodukt zu verbrennen oder in der Erde entsorgen zu müssen.“ So würde sich Vanillin vom Spezial- zum allgemein verfügbaren Produkt wandeln, aber nur in Partnerschaft „in Zukunft zusammen mit einem großen Chemiekonzern“, sagt Professor Siegfried Waldvogel.
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