Kommt unser Fleisch bald aus dem 3D-Drucker? Im Interview mit lebensmittelmagazin.de erläutert der Ernährungswissenschaftler und Berater Christian Dieckmann die Unterschiede und Besonderheiten bei Fleischalternativen und Fleischersatzprodukten.
lebensmittelmagazin.de: Man liest immer öfter von Fleisch aus dem 3D-Drucker – was verbirgt sich dahinter?
Christian Dieckmann: Damit können verschiedene Verfahren gemeint sein, zum Beispiel die Herstellung von Fleischersatz auf rein pflanzlicher Basis oder auch zellbasiertes Fleisch. Dabei werden polypotente Zellen, in der Regel Stammzellen, dazu gebracht, sich in Muskelzellen zu entwickeln, die dann in einem 3D-Drucker zu einer Matrix „gedruckt“ werden können. Das Ergebnis ist fleischähnlich und besitzt vergleichbare Fasern wie etwa ein Chicken Nugget.
lebensmittelmagazin.de: Was ist der Vorteil dieser Methode?
Der Hauptvorteil ist, dass man eigentlich nur eine polypotente Zelle benötigt, die noch nicht ausgeformt ist und quasi noch nicht weiß, was sie werden will. Die kann man mit Wachstumsfaktoren dazu bringen, eine Muskelzelle zu werden, die identisch ist mit der Muskelzelle eines richtigen Tieres.
lebensmittelmagazin.de: Ist das Produkt dann eigentlich vegetarisch?
Christian Dieckmann: Nein, das ist normales Fleisch. Dennoch werden Startups mit diesen Ansätzen von vegetarischen Organisation wie ProVeg aus Gründen des Tierwohls und der Nachhaltigkeit gefördert. Denn die einzelne Zelle hat kein Bewusstsein, sie leidet nicht. Und zugleich könnte man mit Hilfe dieses Produkts auf einen Teil der konventionellen Tierhaltung verzichten.
lebensmittelmagazin.de: Wirft die Herkunft der Stammzelle keine ethischen Fragen auf?
Christian Dieckmann: Das mag dem ein oder anderen sauer aufstoßen, aber man muss eben abwägen: Ziehe ich viele Hühner für das Fleisch auf oder entnehme ich einem Huhn minimalinvasiv eine kleine Zelle, was das Huhn mit Leichtigkeit verkraftet. Das ist dann der Trade-Off, der Kompromiss, den man eingeht.
lebensmittelmagazin.de: Wie realistisch ist es, auf diese Weise massenhaft Fleisch herzustellen?
Christian Dieckmann: Ich rechne in den nächst 20 Jahre nicht mit einem konkurrenzfähigen Produkt, was den Preis anbelangt. Dennoch muss man sehen, dass gerade sehr viel Geld in diese Forschung investiert wird auch seitens etablierter Player wie der Fleischwirtschaft. Im Moment ist zum Beispiel die Nährflüssigkeit, in der die Zellen gezüchtet werden, noch zu teuer. Dieses Wachstumsserum kommt aus dem medizinischen Bereich und ist einer der größten Kostenfaktoren.
lebensmittelmagazin.de: Hat denn aus Zellen produziertes Fleisch physiologische Vorteile?
Christina Dieckmann: Man kann im Grunde alles zielgerichtet züchten und zum Beispiel einen Fettgehalt von 5 Prozent oder 7 Prozent ansteuern, je nach Wunsch. Man kann Omega3-Fettsäuren einbauen oder den Cholesteringehalt reduzieren und das ist natürlich ein interessanter Gesundheitsfaktor.
lebensmittelmagazin.de: Ist Fleischersatz auf pflanzlicher Basis nicht schneller und günstiger verfügbar?
Christian Dieckmann: Ja, pflanzliche Fleisch- oder Fischalternativen sind da schon weiter und die Kategorie wächst immer weiter. Wir sind auch hier noch am Anfang, aber da passiert gerade eine Menge – nicht zuletzt auch wegen Corona und den Herausforderungen in der traditionellen Fleischwirtschaft. Auch der Hype um den Beyond-Burger hat gezeigt, dass von Konsumentenseite ein Interesse besteht. Neben McDonalds haben auch Aldi und Lidl entsprechende Produkte rausgebracht.
lebensmittelmagazin.de: Was wird vom Verbraucher besser angenommen: Künstliches Fleisch oder Alternativprodukte, die nicht versuchen, Fleisch zu imitieren?
Christian Dieckmann: Bei Fleischnachahmungen besteht mehr Nachfrage. Eine Wurst aus Soja wird vom Verbraucher eher angenommen als ein Dinkelbratling. Der Wechsel von der Fleischwelt in die pflanzliche Ernährung fällt ihm leichter, wenn er ein Zwischenprodukt mit dem vertrauten Geschmack und der gewohnten Textur hat. Allerdings bedeutet das auch sehr viel Zusatzstoffe. Das ist ein relativ ungelöstes Problem, denn Fleisch aus pflanzliche Zutaten nachzuahmen funktioniert nicht so einfach. Man braucht Bindemittel, damit es nach Fett schmeckt, weil die Pflanzenproteine einen niedrigen Fettgehalt haben müssen, um sie in Faserform zu bringen. Geruch und Rötung müssen manipuliert werden, damit das Produkt beim Erhitzen analog zu Fleisch einen gräulichen und keinen bräunlichen Ton annimmt.
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lebensmittelmagazin.de: Was sind aktuell die größten Herausforderungen bei der Vermarktung von Zellkultur-Fleisch?
Christian Dieckmann: Die Konsumentengruppe, die auf Fleischalternativen wechseln möchte, reagiert besonders sensibel auf Zusatzstoffe. Die möchten genau wissen, was drinsteckt und machen sich eher Gedanken, ob da etwas schädlich sein könnte. Über die Zusatzstofffrage muss man aufklären, aber das ist insgesamt für die Lebensmittelwirtschaft ein dickes Brett, nicht nur bei Fleischersatz. Auch der Preis ist teilweise ein Problem, weil viele Konsumenten erwarten, dass ein Fleischersatz günstiger ist, weil die Rohstoffe für ihn gefühlt günstiger sind. Aber tatsächlich ist die Herstellung oft aufwändiger.
„Zellbasierte Lebensmittel wie Zellfleisch oder auch Eier, Milch und Käse aus Zellen werden ein Milliardenmarkt werden.“
Christian Dieckmann, Ernährungswissenschaftler und Berater
Im Bereich der zellbasierten Lebensmittel ist das größte Problem regulatorischer Art, denn vielfach ist der Einsatz von Gentechnik erforderlich. Zwar ist die Gentechnik heute eine ganz andere als noch vor 10 oder 15 Jahren. Durch CRISPR kann man gezielter Gene verändern, wodurch sich das Image etwas gebessert hat. Dennoch gibt es hohe regulatorische Hürden und Vorbehalte bei den Konsumenten. Allerdings werden zellbasierte Lebensmittel wie Zellfleisch oder auch Eier, Milch und Käse aus Zellen ein Milliardenmarkt werden. Der noch hohe Preis wird sich relativieren, wenn andere Herstellungsarten teurer werden, etwa durch die Besteuerung von CO2.
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