Wenn der Weltvegantag mit dem Lockdown light zusammenfällt, was gäbe es Sinnvolleres als über ein veganes Restaurant mit Vision zu schreiben?
Unbehagen wegen der jüngsten Nachrichten zum neuen Lockdown? „Dann produzieren wir eben für unseren Webshop Eingelegtes in Gläsern und dann könnten wir noch für Abends Online-Workshops anbieten über Fermentation beispielsweise, ganz nach unserem Motto Ferment the Lockdown.“
Ein Leben ohne Abfall
Zusammen mit seiner Frau Jasmin Suchy eröffnete David Suchy im März 2019 das Restaurant Frea in Berlin-Mitte. „Der Name soll an die nordische Göttin Freya erinnern, zuständig für Ackerbau, im Sinne des Zeitgeistes dann um einen Buchstaben reduziert“, erklärt der junge Gastronom. Seit 2017 beschäftige er sich mit der Zero-Waste-Philosophie, in diesem Kontext haben sich seine Frau und er auch kennengelernt und versuchen jetzt gemeinsam die gelebte Nachhaltigkeit mit Verzicht auf Abfall und das Qualitätsbewusstsein der Produkte ihren Gästen zu vermitteln. Das bedeutet für die Restaurantbesitzer und ihre 22 Mitarbeiter:innen: regionale Anbieter unterstützen, veganes Essen mit ökologisch/saisonalem Schwerpunkt und Verpackungsmüll einsparen. Dazu gehört auch der Anspruch, alles selber herzustellen.
Ideen muss man haben
„Natürlich sollen unsere Gäste in erster Linie des guten Essens wegen kommen und nicht aufgrund der Ideologie, einfach gutes Essen genießen und sich hinterher wohlfühlen“, ist der Fachberater für holistische Gesundheit und ehemalige Caterer/Influenzer überzeugt. „Das bedeutet vor allem Arbeit ins Gemüse stecken. Wir fermentieren, backen unser eigenes Sauerteigbrot, setzen Kombucha an, stellen unsere eigene Nussmilch her – immer mit dem Ziel alles zu verwerten. Selbst der Einlegesaft vom Gemüse landet im Cocktail. Bei uns ist alles essbar – Knollenselleriewurzeln werden so zum knuspern frittiert. Es gibt so viele Möglichkeiten, dafür braucht man aber viel Personal und viele Ideen.“
Von nah und fern
Dazu gehört auch die selbstgemachte Schokolade, für welche die fermentierten Kakaobohnen direkt aus Belize importiert werden. Zu 85 Prozent seien die Produkte aus Deutschland und der Region, 10 Prozent immerhin aus den Nachbarländern und 5 Prozent aus Südamerika. „Kaffee wächst hier noch nicht und wir leben in einer globalen Welt in der wir auch die anderen Märkte unterstützen“, meint David Suchy.
Der letzte Casus knacksus
Trockenlebensmittel wie Linsen, Reis und Bohnen, lässt sich das Restaurant zur Plastikvermeidung in großen Papiersäcken liefern. Ganz abfallfrei funktioniert es aber noch nicht und das wurmt den Restaurantbesitzer: „Die Industrie ist noch nicht soweit, so werden Reinigungsmittel nach wie vor in Plastikflaschen verkauft und Weinflaschen sind nach wie vor Einweg. Bei Bier und Limonaden funktioniert das Pfandsystem, warum hier nicht?“
Humus und Marketing
Dafür hat das Restaurant Frea noch eine Besonderheit: Essensreste von Tellern und gekochte Speisen dürfen in der Gastronomie grundsätzlich nicht in der konventionellen Biotonne entsorgt werden. Dafür steht etwas abseits im Gästeraum eine Metallkiste vom Format einer Tiefkühltruhe. Als David Suchy den Deckel hebt, findet sich darin tiefschwarzer Humus. Dieser kleinstmögliche Industriekomposter produziert innerhalb eines Tages mit Hilfe von Bewegung, Wärme und Bakterien aus 25 Kilogramm Bioabfällen 2,5 Kilogramm feinsten Humus. „Der ist zu scharf für Samen und Setzlinge, die Bakterien würden diese sofort zersetzen. Unter die Erde gemischt kommt man mit der Düngung ganz schön weit. Der Gemüselieferant nimmt diesen mit retour, so werden auch sämtliche Wege genutzt.“ Die Stromkosten der Maschine seien ebenso hoch wie die Abfuhr der Biotonne.
Von nachhaltigen Lampenschirmen
Übrigens zieht sich das Nachhaltigkeitskonzept auch im Interieur durch: Tische wurden aus massiven Eichenbrettern gesägt und die Stühle zusammengetragen, selbst die Lampenschirme bestehen aus Myzel-Pilzsubstrat. David Suchy zeigt auf ein Bild in der Ecke: „Das Marmorbild dort besteht aus zusammengeschmolzenen Plastikabfällen während des Umbaus.“ Demnächst machen die Restaurantbesitzer einen zweiten Laden in unmittelbarer Nachbarschaft auf „Frea Foods“.
Der Praxistest
Das Interview mit David Suchy hat so viel Appetit gemacht, dass ihm noch ein Restaurantbesuch vor dem Lockdown folgen musste, hat sich gelohnt.
Vorab gab es als Aperitif einen fruchtig-rauchigen Summer Harvest mit Whisky, begleitet von einem knusprigen Sauerteigbrot mit kräftigem Olivenöl, so einfach, so lecker.
Dafür war die Vorspeise umso komplexer: In einer Pilzkonsommee stapelten sich auf einer Knoblauchmousseline gebratene Kräuterseitlinge und Radieschensprossen über einer spannenden Hirsenocke mit Ponzuaspik.
Die Tortelloni zum Hauptgang waren Soulfood: mit vollmundiger Kartoffelfüllung in cremiger Sauce mit knackigen fermentierten Karotten und Brokkoli.
Das Dessert war sehr ungewöhnlich: Sellerieeis auf Schokoladenspiegel mit Selleriewurzelknusper und Würfelchen vom eingelegten Sellerie, zuletzt übergossen mit Selleriesirup, lecker, aber eher ein Fall für Experimentierfreudige.
Das unverhoffte Highlight zum Schluss: der Cappuccino mit selbstgemachtem Haselnussmilchschaum. Vegan kann so lecker sein!
Beitragsbild (oben): FREA GmbH