Darf es etwas exotischer sein? Dafür muss man noch nicht einmal weit weg fahren, denn siehe, das Glück, es liegt so nah! Lebensmittelmagazin.de ist ins nördliche Brandenburg gefahren um eine Straußenfarm zu besuchen.
Auf der Farm von Katrin und Steffen Krampitz in Hohenfinow leben afrikanische Blauhalsstrauße. Eine Besonderheit dieses Laufvogels sind die zwei Zehen die er jeweils am Fuß hat. „Die sind wie Waffen, die tödlich sein können. Strauße treten mit ähnlicher Kraft aus wie Pferde„, erklärt die Züchterin. Um die einzelnen Gehege haben sie einen Doppelzaun gezogen, damit Tiere und Besucher voreinander geschützt sind. In jedem Gehege leben jeweils ein Hahn zusammen mit drei Hennen, „Die Hähne sollen sich um ihre Hennen kümmern und nicht Rivalitäten austragen“, erklärt Katrin Krampitz. Bis zu imposanten 3 Metern können die Tiere groß werden und ein Gewicht von 150 bis 160 Kilogramm schwer werden.
Wild und frei
Laut Literatur können die Tiere bis zu 70 Jahre alt werden, was Krampitz aber stark bezweifelt: „Wir haben unsere Tiere maximal 16 Jahre, dann zeigen sie Alterserscheinungen, wie Sehkrafttrübung. Damit ist ihr Schicksal spätestens besiegelt, als betriebswirtschaftliches Unternehmen müssen wir das berücksichtigen und dann wird ihr Fleisch verarbeitet.“ Straußenzucht ist herausfordernd, denn Strauße kann man nicht mästen und man braucht viel Fläche bei wenig Besatz an Tieren. Die Tiere stehen ganzjährig draußen bei Wind und Wetter, im Zweifelsfall stünde ihnen ein offener Stall zur Verfügung. „Es bleiben Wildtiere, die gar kein Interesse an Stallhaltung haben,“ gibt die Züchterin zu bedenken. Zu fressen gibt es Hafer, Weizen und Gerste, „mit einem Spritzer Pflanzenöl und Steinchen für die Verdauung ad libitum.“ Dabei seien Strauße nicht die intelligentesten Tiere, das Gehirn sei kleiner als das Auge, wobei die Tiere wirklich wunderhübsche große Augen haben.
Rund ums Ei
Als Nutztiere sind Strauße sehr vielseitig. Ein Straußenei bringt normalerweise anderthalb bis zwei Kilogramm Gewicht auf die Waage. Davon sind ungefähr 300 Gramm Eigelb, 300 Gramm Schale und der Rest Eiweiß, das entspricht ungefähr 24 bis 30 Hühnereiern. „Straußeneier sind also das perfekte Lebensmittel zum Teilen, das sagen wir dann auch jenen jungen Burschen unter unseren Besuchern, die meinen, dass jeder so ein Straußenei isst. Da hat man im Zweifelsfall doch recht schnell genug davon“, sagt sie. Spezialität des Hauses ist der Eierlikör nach Rezept der Großmutter mit Primasprit „in bester ostdeutscher Tradition“, wie Katrin Krampitz erklärt. Aufgrund der dekorativen Eierschale empfiehlt sie einseitiges bohren mit dem Akkubohrer, um dann mit einem Strohhalm durch maßvollen Überdruck die Eimasse herauszudrücken.
Qualität statt Quantität
Straußenfleisch ist reich an ungesättigten Fettsäuren und dabei arm an Cholesterin. Die Tiere werden geschlachtet bei einem Gewicht von 120 bis 130 Kilogramm. Der Anteil an Filet, Steaks und Gulasch liegt lediglich bei 20 bis 22 Kilogramm. Dazu kommen noch fünf Kilogramm Innereien. „Hildegard von Bingen empfahl Straußenleber zur Befreiung der Galle vom Schwarzen, was für Trübsal und schlechte Stimmung verantwortlich sei, also: Straußenfleisch macht happy!“, sagt Krampitz lächelnd. Trotz des geringen Fleischertrags bieten sie immerhin zehn verschiedene Wurstsorten neben dem Fleisch an. Sie haben sich bei ihrer Planung gegen eine Gastronomie vor Ort entschieden und fahren stattdessen mit einem Food Truck zu Events, wo es dann Straußenwurst und -buletten vom Grill gibt. Die Schlachtung der Tiere kann übrigens nicht von x-beliebigen Schlachthöfen übernommen werden, weil hierfür ein spezifisches Sachkundeseminar für den Schlachter notwendig ist. Hinzu kommt, dass der relativ geringe Fleischertrag Straußenfleisch zur kostspieligen Delikatesse macht, von mehr als 30 Euro pro Kilo. Aber es lohnt sich: „Straußenfleisch ist dunkel wie Rind, muss reifen wie Wild, ist aber zart wie Geflügel. Der Genuss von Straußenfleisch ist ein Erlebnis. Das war auch der Grund, weswegen wir mit der Straußenzucht begonnen haben“, schwärmt Katrin Krampitz.
Schritt für Schritt
Nach einem Unfall musste sich Steffen Krampitz beruflich umorientieren. Vor der Wende arbeitete er in der Tierproduktion und sie als Veterinäringenieurin. War es Schicksal, dass ein Abendessen mit Straußenfleisch das Paar derart davon begeisterte, dass sie 2001 den Plan fasten, Strauße zu züchten? Zunächst schauten sie sich dafür in der gesamten Bundesrepublik Straußenfarmen an, um Schritt für Schritt ihre Farm aufzubauen, nachdem sie bei der Bodenverwertungs- und Verwaltungs-GmbH das Land erwerben konnten. Dabei hatte ihnen die Ich-AG-Förderung beim Aufbau sehr geholfen und dann konnten sie schrittweise ihren Hof refinanzieren. Seit 2003 besitzen sie Strauße, 2007 waren es 110 Tiere Maximum. „Nie wieder!“, sagt die Straußenzüchterin. Die künstliche Brut- und Handaufzucht der Straußenküken sei wunderschön, aber auch sehr zeitaufwendig gewesen. „Man ist dabei immer auf den Beinen.“ Jetzt baut Ehepaar Krampitz ihre Farm zurück auf 24 Tiere. „Nach 18 Jahren möchten wir jetzt auch mal in den Urlaub und die Zeit mit unseren Enkelkindern genießen,“ erklärt Katrin Krampitz. Dieses Jahr hätten sie die Angst gehabt, die zusätzlichen unbebrüteten Eier verkauft zu bekommen; die Sorge entpuppte sich als unbegründet. „Corona-bedingt sind die Menschen nicht in den Urlaub gefahren und haben mehr Tagesausflüge gemacht, so auch zur Straußenfarm und haben die Eier zum Teil noch warm gekauft.“
Federn, Fett und Leder
Abgesehen von Nahrungsmitteln ist der Strauß auch noch als anderweitiger Rohstofflieferant berühmt: Mit den Bildern von exzentrischen 20er-Jahre-Schönheiten, wie Josephine Baker, vor Augen – nackt, nur bedeckt von Straußenfederfächern kommt eine unerwartete Antwort. Mitnichten sei das Ballett vom Friedrichstadt-Palast beispielsweise Hauptabnehmer von Straußenfedern, dafür aber die Autoindustrie, welche die Karosserien vor der Lackierung mit Straußenfedern abpuscheln. Darüber hinaus hat der Strauß trotz magerem Fleisch eine Fettschicht am Rücken, die hervorragende kosmetische, rückfettende Eigenschaften aufweist. Diese lässt sich zu Hautcreme und Seife verarbeiten, die große Nachfrage erfahren. „Weil Seife reifen muss, bin ich gezwungen sehr vorausschauend zu planen.“ Dafür sei wiederum die Nachfrage von Straußenleder, eigentlich doch omnipräsent bei Armbanduhren, Gürteln, Handtaschen und Handschuhen runtergefahren. „Vor sechs Jahren ist der Markt komplett zusammengebrochen. Das hing mit der Vogelgrippe in Afrika zusammen. Die dortigen Farmen mussten als Konsequenz das Leder auf den Markt werfen, seitdem bekommt man nichts mehr dafür“, erklärt Krampitz.
Machos im Federkleid
Der Gang bei den Tieren demonstriert eindrücklich, dass Straußenzucht sich deutlich von anderer Nutztierhaltung unterscheidet; bereits die Jungtiere sind übermannshoch, respekteinflößend und insgesamt sehr schöne Tiere. „Jedes Tier hat seine individuelle Frisur an der man es erkennt,“ erklärt die Straußenzüchterin. Sie zeigt es am Beispiel der 16 Jahre alten Flora, die als Henne bereits Rekorde eingeholt hat, 2010 mit 82 Eiern beste Legeleistung sowie das schwerste Ei seinerzeit mit 2070 Gramm. Da Strauße sehr gute Augen haben mit einer Fernsicht bis zu drei Kilometern, sind Erscheinungen wie beispielsweise Heißluftballons bei den Tieren absolut Stress verursachend. Das lässt sich bei der Ankunft direkt nachvollziehen, sie rennen nicht etwa weg, sondern sind sehr neugierig und begleiten einen bei jedem Schritt und Tritt und geben deutlich zu verstehen, wer hier der Chef ist. Insbesondere die älteren Männchen, wie Hugo, das Maskottchen der Straußenfarm, plustern sich auf, stellen den Schwanz hoch und geben deutlich zu verstehen, dass man nicht willkommen ist. Wirklich beeindruckend war am Schluss der Tanz eines namenlosen Männchens, ultimative Geste der Virilität, mit der zum einen die Weibchen vor der Paarung beeindruckt werden, dem Besucher allerdings wird klar, dass er sich gefälligst entfernen soll. Ein Phänomen fehlte allerdings: Keiner der Strauße steckte seinen Kopf in den Sand. Frau Krampitz lacht: „Ein hartnäckiger Mythos, an dem absolut nichts dran ist!„
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