Reis ist weit mehr als nur geschmacksneutrale Sättigungsbeilage zum Hühnerfrikassee. Beim Startup Reishunger dreht sich alles um das lange Korn. lebensmittelmagazin.de hat mit dem Gründer telefoniert, um den Genießerhorizont zu diesem Lebensmittel zu erweitern.
„Was gibt es im Iran was es hier in Deutschland nicht gibt?“ – „Guten Reis“, war die Spontanantwort, die Sohrab Mohammad seinem Kommilitonen Torben Buttjer vor über 10 Jahren gab. „Wir sind beide studierte Wirtschaftsingenieure, hatten von Lebensmitteln keinen Plan, aber durch das Studium bereits eine gewisse Ahnung davon, was es bedeutet, Unternehmer zu sein“, erklärt der Gründer von Reishunger.de. Bei Reis gebe es Unterschiede in der Qualität des Korns, ähnlich wie bei Kaffee oder Tee. Anders als er es von Haus aus kannte, überzeugte ihn das Angebot in deutschen Supermärkten nicht wirklich.
Nachholbedarf in Sachen Reis
Ob er was gegen Parboiled Reis hätte? „Diese industrielle Verarbeitung zerstört den Zauber des Reis“, reagiert er spontan, korrigiert sich dann aber: Parboiled Reis sei in großen Mengen gut zu verarbeiten, vor allem weil er nicht zusammenpappt. Die Nährstoffe der Häute würden ins Korn reingedrückt. „Das ist kein schlechter Reis, er schmeckt nur nach nichts.“
Das Fehlen guter Qualität und die mangelnde Zubereitungexpertise von Reis waren die Motivation zur Gründung von Reishunger.de, Deutschland hatte hier Nachholbedarf. „Das war allerdings kein Geistesblitz, sondern eine Idee, die wir lange mit uns herumtrugen und noch viele Fragen offen hatten: Kommt es beim Verbraucher an? Ist der Markt dafür schon bereit?“
Letzten Endes war es ausgerechnet Basmatireis als Titelthema in der Ausgabe der Stiftung Warentest: „In dem Test tauchten Skurrilitäten auf, wie Basmatireis mit allem möglichen Reis drin, außer Basmati.“
Bremer Reistradition
Beide Gründer, Sohrab Mohammad und Torben Buttjer, stammen aus Bremen und interessanterweise kam der erste Reis vor über 100 Jahren über Bremen nach Deutschland durch den Reisimporteur Rickmers, sodass hier in Bremen eine Reistradition schon bestand.
Der Fokus von Reishunger.de liegt besonders auf Genuss. „Zu unserer Strategie gehört, wenn Reissorten in Bio verfügbar sind greifen wir darauf zurück, ansonsten bieten wir auch konventionellen Reis an. Das Angebot schwankt bisweilen, aber immerhin sind 70 bis 75 Prozent unserer Produkte inzwischen biologisch angebaut.“ Das bedeutet in erster Linie, dass Bioreis ohne Pflanzenschutzmittel angebaut wird und aufgrund der geringeren Belastung weniger intensiv gewaschen werden muss.
Herausforderungen
Damit sei aber doch keine Aussage über den ökologischen Fußabdruck und die Arsenbelastung getroffen. Bei Reis als ökologischem Faktor muss man berücksichtigen, dass ein großer Teil auf gefluteten Feldern angebaut wird, bei denen sich unter Sauerstoffabschluss methanproduzierende Mikroorganismen besonders gut vermehren, einem im Vergleich zu CO2 25fach stärkeren Treibhausgas. Wissenschaftler der dänischen Universität Aarhus experimentieren mit sogenannten Kabelbakterien, welche die Aktivität der Methan-Produzenten im Laborexperiment vermindert. Ergebnisse im Feldversuch stehen wohl noch aus, sind aber vielversprechend zur Einhaltung der Klimaziele.
Arsenanreicherung im Reis ist ebenso ein Thema, das Verbraucher:innen verunsichert. „Arsen kommt naturgemäß im Erdreich vor und reichert sich bedingt durch die Art und Weise des Anbaus speziell in der Reispflanze ab“, erklärt der Reisfachmann. „Die gesamte Branche steht vor der Herausforderung und ermittelt Maßnahmen zur Arsenreduktion.“ Zunächst gebe es in den Anbauländern die regelmäßigen Tests und standardisierte Zertifikate, die man zuvor einholt und darüber hinaus Tests in hiesigen Laboren von Stichproben der großen Chargen. „Auf den Philippinen gibt es das International Rice Research Institute, das unter anderem die Saatproben von über 1000 Reissorten lagert, gesetzt dem Fall, dass durch natürliche oder von Menschen gemachte Katastrophen hier der Notfall eintritt und darüber hinaus forschen sie beispielsweise umfassend über Arsen im Reis.“
Reis waschen, aber richtig!
„Auf jeden Fall können wir sagen, dass Reis ein hundertprozentig sicheres Lebensmittel ist“, ist er sich sicher. Grundsätzlich empfiehlt der Reishunger-Chef den Reis zu waschen, um „oberflächliche Verschmutzungen, wie Staub von der industriellen Verarbeitung oder aber auch Steinchen oder Pflanzenteile von der Feldarbeit – was schon mal sein kann – zu entfernen und um auch den Reis lockerer zu machen“.
Basmatireis beispielsweise fülle man in den Topf, gießt ihn mit Wasser auf und rührt mit der Hand darin, um Verschmutzungen zu lösen und dann abzugießen; man erkennt direkt bei der Waschung, dass sich das Wasser trübt. Diesen Vorgang wiederholt man 2 bis 3 Mal. Auch Sushi-, Jasmin- oder Risottoreis, deren Stärkefilm für die Bindung der Gerichte benötigt wird, sollen laut Sohrab Mohammad ruhig einmal durchgewaschen werden. „Wobei beim Sushireis zum Beispiel jeder Meister seine individuelle Methode hat, den Reis zu waschen, um das für ihn perfekte Sushi herzustellen.“
Form und Farbe
Reis ist ein wertvolles Lebensmittel, mit hoher Kohlenhydrat- und hervorragender Nährstoffdichte. Nicht umsonst nehmen Asiaten bei traditioneller Ernährung 3 bis 4 Mal am Tag Reis zu sich.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Lang-, Mittel- und Rundkornreis, sowie den drei unterschiedlichen Schälgraden zwischen Vollkornreis mit seinen äußeren Häuten und dem komplett geschälten weißen Korn.
„Je nach Sorte kann Vollkornreis schwarz, braun oder rot auftauchen, wobei dies an den Häuten liegt. Das Korn im Innern ist weiß“, erklärt Sohrab Mohammad. Als Kompromiss zwischen Vollkornreis und geschältem weißen Korn gibt es noch mittelgeschältem, der ähnlich nährstoffreich wie Vollkorn ist, aber sich schneller kochen lässt. „Richtiger Vollkornreis benötigt eine Dreiviertelstunde bis Stunde, bis er gar ist. Dieser Mittelgeschälte wird oft in Pokéläden als Vollkornreis angeboten, da er wesentlich schneller kocht.“
Welcher Reis für welches Gericht?
Abgesehen vom „Vollkornsushireis“, was technisch schwierig umzusetzen ist, sei prinzipiell jeder Reis für jedes Gericht denkbar. „Ich kann auch aus Basmati Milchreis machen, indem ich ihn in Milch koche oder in Brühe für Risotto. Es ist aber so, dass beispielsweise die relativ größere Oberfläche der Körner von Rundkornreis für Sushi größere Stabilität bietet, als ein langes Basmatikorn. Mittelkörnige Reissorten wie Canaroli oder Arborio aus Italien bieten Stärkebindung einem Rundkornreis ähnlich, bieten dabei für das Risotto attraktiv aber mehr Biss.“
Reis zubereiten: Der Möglichkeiten Viele
Für den puren Reisgenuss als Beilage zu Fleisch, Gemüse oder Fisch, empfiehlt der Fachmann wahlweise die „Nudelkochmethode“, bei der unabhängig von der Reismenge der Topf mit Wasser gefüllt wird, in welchem der Reis gekocht wird, bis er gar ist, bei Basmati sind das beispielsweise 15 Minuten. Sobald der Reis gar ist, wird das Wasser abgekippt. „Diese Methode ist im Iran sehr populär, anschließend wird der Reis dort mit gebutterten Kartoffelscheiben zusammen mit Safran noch mal verfeinert.“ In dem Zusammenhang erwachen Erinnerungen an ein Kebab Soltani mit köstlichem Safranreis im großen Basar von Teheran, spontaner Speichelfluss.
Als „idiotensicher“ wiederum, bewertet der Reishunger-Chef die Quellreismethode, bei der jede Reissorte ihre individuelle Menge an Wasser hat, die man zum Beispiel auf der Homepage von Reishunger.de checken kann. „Dann kocht man einfach den Reis so lange, bis das Wasser weg ist. Bei Basmati ist das Verhältnis ein Teil Reis zu anderthalb Teilen Wasser.“ Salz habe anders als bei Pasta keinerlei physikalische Auswirkungen auf den Reis, sondern ist lediglich eine Frage des Geschmacks.
Darüber hinaus gibt es Reiskocher, die nach derselben Methode garen, aber für Sohrab Mohammad noch mehr „convenient“ sind. Ähnlich, aber im Ergebnis bisher unbefriedigend, sind für ihn Reiskocher in der Mikrowelle.
Ins Schwärmen kommt der Reisfan bei gedämpften Reis: „Beim Kochen kommt der Reis überhaupt nicht in Kontakt mit dem Wasser, was das schonendste Garen ist, und bleibt deswegen locker und geschmackvoll duftet ganz besonders gut. Nachteil ist, dass er zuerst ewig gewässert werden muss und lange gart.“
Für den iranischen Reis, dessen Kruste ‚Tahdig‘ eine besondere Delikatesse ist, gibt es inzwischen besondere Reiskocher. „Den würde meine Mutter aber nicht verwenden. Die klassische Iranerin kocht Reis im Topf, um ihn anschließend im traditionellen Reiskocher zum Tahdig zu verfeinern.“ Sohrab Mohammad erinnert sich: „Meine Freunde haben damals gesagt, dass es bei uns intensiv nach Reis duften würde, was man ja selber gar nicht mehr wahrnimmt. Wahrscheinlich habe ich den Reis mit in die Wiege gelegt bekommen.“