1871 wurde Mestemacher von Heinrich Mestemacher in Gütersloh gegründet. Das Unternehmen feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Es ist Weltmarktführer für verpackte Brotspezialitäten, darunter das berühmte westfälische Pumpernickel aus Roggenschrot.
Prof. Dr. Ulrike Detmers ist Vorsitzende der Geschäftsführung der
Mestemacher Management GmbH mit den Geschäftsfeldern Geschäftsführung, Marketing, CSR und PR sowie Sprecherin der Gruppe. Wir haben mit ihr anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums über die Unternehmensgeschichte, Ziele, Produkte und Nachhaltigkeit gesprochen.
lebensmittelmagazin.de: Frau Prof. Detmers, wie fühlt es sich das an, auf eine so große Tradition zurück zu blicken? Ist eine lange Firmengeschichte immer von Vorteil oder manchmal auch Erschwernis?
Ulrike Detmers: Summa summarum finde ich es großartig, wenn Marktteilnehmer wie Mestemacher das Alter von 150 Jahren erreichen. Meine Erforschung der Unternehmensgeschichte hat hervorgebracht, dass sich das empirische Phasenmodell der Unternehmensentwicklung von Knut Bleicher vollumfänglich bestätigt. Um es klar und deutlich zu machen: Im Inneren der Unternehmensentwicklung folgten der Pionierphase, die Markterschließung und Diversifikation. Im Äußeren Bereich Akquisition, Kooperation. Restrukturierungen betrafen sowohl das innere wie das äußere Change Management. Ist der Marktteilnehmer mit seinem Unternehmergeist und seiner Organisation für Veränderungen gerüstet, sind 150 Jahre Existenz keine Erschwernis.
Wie werden Ihre Mitarbeiter, Partner und Kunden in die Feiern zum Jubiläum einbezogen?
UD: Sonderveröffentlichungen, Jubiläums-Werbemittel wie ein handlicher Mestemacher-Jubiläums-Reisepass mit 60 Seiten Inhalt, ein Festakt im Hotel-Residenz Klosterpforte in Marienfeld mit Partnern, Presse, Lieferanten, Politikerinnen und Politiker im Juni und ein Familienfest für unsere Belegschaft werden das Jubiläumsjahr 2021 besonders prägen. Das 20-jährige Jubiläum feiern wir im September – vermutlich wieder mit Corona-Regeln – im Grandhotel Adlon in Berlin.
Ihr Unternehmen ist Weltmarktführer von verpackten, lange haltbaren Brotspezialitäten. Haben Sie als eine Auswirkung der Corona-Pandemie eine verstärkte Nachfrage nach Ihren haltbaren Brotprodukten gespürt?
UD: Der Netto-Umsatz ist in 2020 im zweistelligen Bereich gestiegen. Der Erfolg ist auf die folgenden Vorteile von Mestemacher Broten zurückzuführen: Für unsere Vollkornprodukte verwenden wir stets das frisch gemahlene Roggenschrot aus der heimischen Mühle. Während herkömmliche Mehlsorten wertvolle Inhaltsstoffe verlieren, bleibt auch unser Roggenschrot reich an Mineralien wie Kalium und Phosphor sowie B-Vitaminen.
Vom Backprozess bis zum Endprodukt: Bei uns finden alle Herstellungsschritte unter einem Dach statt. Für unsere Brote garantieren wir einen Frische-Genuss von mindestens 6 Monaten bei ungeöffnetem Zustand. Unsere Rezepturen werden von Ernährungsexperten entwickelt und laufend unter dem Aspekt einer gesunden Ernährung verbessert. Unsere Vollkornbrote sind reich an Ballaststoffen und entsprechen einer vollwertigen Ernährung. Wir sind stetig dabei unsere Rezepturen anzupassen: 2021 werden alle Produkte aus dem Mestemacher Sortiment einen Salzgehalt unter 1,3 Gramm / 100 Gramm aufweisen. Mit unseren Produkten unterstützen wir die Welthungerhilfe und setzen uns so für den weltweiten Kampf gegen den Hunger ein.
Mestemacher bezeichnet sich als Lifestyle-Bäckerei. Das bringt nicht jeder auf Anhieb mit einem Traditionsprodukt wie Pumpernickel in Verbindung. Was bedeutet Lifestyle für Sie?
UD: Lifestyle hängt mit der Art und Weise der Lebensführung zusammen. Das Mestemacher Produktportfolio ist sehr abwechslungsreich und geschmacklich different. Shoppern, die eine naturgemäße Lebensweise bevorzugen, bieten wir als Bio-Pioniere ein umfangreiches Angebot an Bio Broten und Backwaren an. Menschen, die regionale Lebensmittel favorisieren, können bei uns zum Westfälischen Pumpernickel greifen. Diese Brot-Gattung ist übrigens die einzige, der die Europäische Kommission die geografisch geschützte Angabe zugesprochen hat. Cosmopolitan finden bei uns unter anderem Naan Brote, Pita Brote, Wraps.
Mestemacher ist eines der ersten und bisher vergleichsweise wenigen Unternehmen in Deutschland, die am Nutri-Score teilnehmen. Würden Sie den Nutri-Score auch verwenden, wenn einige Ihrer Produkte eine eher ungünstige D- oder E-Bewertung bekämen?
UD: Ich würde mit der Produktentwicklung hart daran arbeiten, C zu erreichen.
Das soziale Engagement für Gleichstellung nimmt einen großen Raum in Ihrem Unternehmen ein. Schon auf der Webseite ist Gleichstellung ein eigener, gut gefüllter Menüpunkt zwischen „Produkte“ und „Rezepte“. Unter anderem engagiert sich Ihr Unternehmen dafür, dass Leitungsgremien paritätischer mit Mitgliedern beider Geschlechter besetzt werden. 2017 wurden erstmals der Preis „Gemeinsam Leben“ ausgelobt. Inwiefern beeinflusst dieses Engagement ihren Unternehmenserfolg?
UD: Mestemacher zählt zu den Pionieren nachhaltiger Unternehmensführung. In meinem Geschäftsführerdienstvertrag
steht expressis verbis drin, dass ich auch für Corporate Political Responsibility bei der holistischen Unternehmensführung zuständig bin. Seit 2000 fördern wir Geschlechterdemokratie. Das Mestemacher Ansehen und die Bekanntheit der Brotmarke haben sich nachweislich positiv
entwickelt. Ich arbeite persönlich seit 1994 sowohl als verbeamtete Wissenschaftlerin wie auch dann später als geschäftsführende Unternehmerin daran, die gesetzliche Frauenquote durchzusetzen. Geschlechtlich gemischte Teams sind auf allen Stufen der Hierarchie effektiver und positiv multi-perspektivisch.
Für einen Großbäcker wirken das umfangreiche gesellschaftliche Engagement und die vielen kreativen Ansätze untypisch. War Mestemacher schon immer ein Unternehmen, das keine Scheu hat, auch ungewöhnliche Wege zu gehen?
UD: Ja, dieses lässt sich gut nachweisen. Zum Beispiel waren Unternehmerpaare bei Mestemacher auch Erfolgsgaranten. Das trifft zu auf das Gründerpaar Sophie und Wilhelm Mestemacher, Lore Schittenhelm, geb. Mestemacher, und ihren Ehemann Willy Schittenhelm sowie auf die heutigen Eigentümer-Ehepaare. Mein Mann Albert Detmers und ich arbeiten quasi dienstlich seit fast 50 Jahren Seit an Seit. Mein Mann und mein Schwager Fritz Detmers, der ältere Bruder meines Mannes, sind
beide erfolgreiche Brot-Unternehmer. Helma Detmers, Gesellschafterin der Mestemacher-Gruppe, war und ist wichtige Ratgeberin ihres Mannes Fritz und identifiziert sich wie wir alle sehr stark mit unserem Familienunternehmen.
Ihre Produkte und auch die Verpackungen fallen immer wieder durch besondere Originalität auf. Wie hoch ist bei solchen Neueinführungen der Anteil der Marktforschung und wie hoch der Anteil des Bauchgefühls, dass letztendlich darüber entscheidet, etwas Neues auszuprobieren?
UD: Bauchgefühl eher weniger, sondern weltweite Trendbeobachtung bringt neue Konzepte hervor.
Haben Sie auch schon mal einen Flop produziert, den Sie vom Markt nehmen mussten, weil er überhaupt nicht lief?
UD: Klar, Flops waren auch dabei. Wir sind flexibel und kommen zügig mit neuen Produkten und Konzepten. Vorteilhaft auswirken könnte sich hier der Unternehmergeist im Trigger-Modus.
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