Manche Verbraucher:innen denken, Ahornsirup, Agavendicksaft, Rohrzucker und Kokosblütenzucker seien eine umweltfreundlichere Alternative zu herkömmlichen Haushaltszucker, der in Europa überwiegend aus Zuckerrüben gewonnen wird. Was ist da dran?
Die meisten Verbraucher:innen in Deutschland süßen ihre Speisen mit herkömmlichem Zucker, der in Europa fast ausschließlich aus der Zuckerrübe gewonnen wird. Klar, man kann auch mit anderen Produkten süßen. So machen „exotische“ süßende Alternativen von sich reden, wie Ahornsirup, Agavendicksaft, Rohr- und Kokosblütenzucker. Immer wieder hört und liest man, dass sie nachhaltiger oder sogar „gesünder“ sein sollen als herkömmlicher Rübenzucker. Stimmt das?
Geschlossener Kreislauf für Rübenzucker
Zunächst zum Haushaltszucker: Er wird in Europa fast ausschließlich aus Zuckerrüben gewonnen, die auch in Deutschland im großen Stil angebaut und verarbeitet werden. Rund 20 Zuckerfabriken befinden sich direkt in den Hauptanbaugebieten (u.a. in der Braunschweiger und Hildesheimer Börde, Köln-Aachener Bucht, Gebieten am Main, an der Donau, in Württemberg und in der Leipziger Tieflandbucht), so dass die Transportwege vom Feld zur Fabrik und danach in die Supermärkte vergleichsweise kurz sind. Zugegeben, um aus den Rüben Zucker zu gewinnen, sind einige Produktionsstufen erforderlich.
Was viele Verbraucher:innen aber nicht wissen: Rübenzucker wird in einem geschlossenen Kreislauf produziert. Das heißt: Es werden alle Produkte der Rübe verwendet, die während der Zuckerherstellung anfallen, sei es als Futtermittel, Düngemittel oder als Rohstoff für andere Erzeugnisse. Auch das Wasser, das in der Fabrik benötigt wird, gewinnt man aus den wasserreichen Rüben.
„Exoten“ haben lange Transportwege
Rübenzuckeralternativen wie Agavendicksaft, Ahornsirup, Kokosblütenzucker oder Rohrzucker haben ebenfalls einen natürlichen Ursprung. Sie stammen aber nicht aus Deutschland, sondern von anderen Kontinenten:
- Agavendicksaft wird aus der Agave gewonnen, einem Kaktus, der überwiegend in Mexiko angebaut wird – häufig in Monokulturen.
- Ahornsirup stammt überwiegend aus Kanada. Man stellt ihn aus dem Saft des Ahornbaumes her.
- Rohrzucker wird aus Zuckerrohr produziert. Er wächst vor allem in Brasilien, Indien, China, Thailand, Mexiko und Australien. Zuckerrohr benötigt sehr viel Wasser (etwa doppelt so viel wie Zuckerrüben), mit der Folge, dass Zuckerrohrfelder teilweise (z. B. in Indien) künstlich bewässert werden müssen. Eine Untersuchung eines Beratungsunternehmens ergab zudem, dass die Auswirkung von brasilianischem Rohrzucker auf den Klimawandel viermal so hoch ist wie von Rübenzucker.
- Kokosblütenzucker gewinnt man aus dem Nektar der Kokospalmen. Hauptanbaugebiete sind Indien, Indonesien, Sri Lanka, die Philippinen und Thailand sowie tropische Regionen in Südamerika und Afrika.
Viele Alternativen haben also sehr weite Transportwege hinter sich bis sie in den Supermärkten landen, was sich zusammen mit weiteren Faktoren wie der Produktionsweise ungünstig auf die Ökobilanz auswirken kann. Manche Zuckeralternativen gibt es auch in Bio-Qualität. In einer 2018 veröffentlichten Studie wurde eine vergleichende Analyse der ökologischen und sozialen Auswirkungen von in der Schweiz produziertem Bio-Rübenzucker und importiertem Bio-Fairtrade-Rohrzucker aus Paraguay durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen mit Blick auf die Ökobilanz, dass der Bio-Rübenzucker einen besseren Umweltfußabdruck aufweist als der Bio-Fairtrade-Rohrzucker aus Paraguay. Die Produktion von Bio-Rübenzucker geht nach den Ergebnissen der Studie mit 37 Prozent weniger Umweltbelastungen einher als dies beim Rohrzucker aus Paraguay der Fall ist. In beiden Fällen trägt der landwirtschaftliche Anbau mit knapp 70 bis knapp 60 Prozent bedeutend zum Umweltfußabdruck bei.
Keine gesundheitlichen Vorteile
Reiner Haushaltszucker (Saccharose) liefert etwa 400 Kalorien pro 100 Gramm. Weitere Nährstoffe enthält er nicht. Die „Exoten“ schneiden aus gesundheitlicher Sicht nicht unbedingt besser ab. Agavendicksaft und Ahornsirup liefern zwar bezogen auf 100 Gramm weniger Kalorien als normaler Zucker (etwa 300 bzw. 270 Kalorien pro 100 Gramm), nennenswerte Mengen an Mineralstoffen und Spurenelementen enthalten diese Produkte jedoch nicht, vor allem, wenn man die üblichen Verzehrmengen betrachtet. Außerdem gilt: Wer Kalorien sparen möchte, sollte immer auch die unterschiedliche Süßkraft der verschiedenen Zuckeralternativen beachten, denn die Süßkraft ist für die benötigte Menge entscheidend. Des Weiteren sollte man bedenken: In der Küche wird Zucker auch eingesetzt, um Lebensmitteln mehr Masse oder ein bestimmtes Mundgefühl zu geben. Zuckeralternativen sind daher nur bedingt gegeneinander austauschbar.
„Exotische“ süßende Lebensmittel sind also nicht generell ökologischer oder aus gesundheitlichen Gründen zu bevorzugen. Wer die geschmackliche Vielfalt sucht, der findet bei Zuckeralternativen durchaus Abwechslung, denn jedes Produkt hat seine charakteristische Note und seinen Platz im Rahmen einer ausgewogenen Gesamternährung