Ob als Brezel, Brötchen oder Butterbrot – Mehl ist die Grundlage für das wichtige Grundnahrungsmittel Brot. Längst wird Getreide in modernen Industriemühlen zu Mehl verarbeitet. Doch es gibt ein paar Ausnahmen, wie in Potsdam am Schloss Sanssouci. Hier steht eine der bekanntesten historischen Mühlen Deutschlands. Lebensmittelmagazin.de war vor Ort.
Gerade haben die beiden Spitzenverbände der Ernährungswirtschaft, der Lebensmittelverband Deutschland und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, im Rahmen der Tour „Zukunft schmeckt“ (www.zukunftschmeckt.de) mit GoodMills, einem der größten Getreideunternehmen Deutschlands, die Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit der Getreidebranche in den Blick genommen. Es ging um neue Geschäftsfelder im Bereich der Proteinalternativen, pflanzenbasierte Ernährung und den modernen Müllerberuf von heute. Doch arbeiten Müllerinnen und Müller ausschließlich in großen Mühlen?
Die Windmühle von Sanssouci
Frederic Schüler ist Müller, um genau zu sein Windmüller. Sein Arbeitsplatz ist nämlich eine der wenigen Windmühlen in Deutschland, in denen damals wie heute noch Getreide zu Mehl gemahlen wird. Auf der Galerie der Windmühle von Sanssouci steht Frederic Schüler mit Blick auf den Himmel. Obwohl sich aufgrund von Windstille kein Flügel bewegt, sind die Flügelsegel zu Dreiviertel gerafft; heute Morgen hätten Barometer und Hygrometer Turbulenzen für den Nachmittag angekündigt. Er zeigt auf einige Wolken: „Hier ist noch alles in Ordnung, aber über der Havel sind die Wolken schon bleigrau und da hinten türmen sich die ersten Cumuluswolken“. Potsdams Wetter sei aufgrund seiner Insellage mit der Thermik der umherliegenden Seen- und Havellandschaft wettertechnisch recht speziell, oder vielmehr unvorhersehbar – als Müller sei es aber wichtig zu agieren anstatt nur zu reagieren.
Gerichtssache Mühle vs. Preußenkönig
Die Windmühle von Sanssouci ist nicht nur eine der deutschen Windmühlen, die immer noch Mehl produzieren, sondern auch ein historisches Kleinod. Im Geschichtsunterricht wird gerne die Legende kolportiert, dass sich Friedrich der Große in seiner Sommerresidenz vom Geklapper der Windmühle gestört fühlte und so dem Müller Löberitz anbot, ihm die Mühle zum Abriss zu verkaufen, worauf der Müller aber nicht einging. Auf eine Zwangsandrohung kraft seiner Macht als Monarch soll der Müller entgegnet haben: „Dies sei freilich möglich, gäbe es nicht das Kammergericht in Berlin“. Da für Friedrich den Großen als erster Diener des Staates vor dem Gesetz alle Bürger gleich waren, musste er klein beigeben und so fügt sich die Mühle bis heute in den Rokokogarten von Schloss Sanssouci ein.
Die Wiederbelebung eines ausgestorbenen Berufs
1860 wurde der Betrieb der Mühle eingestellt und im zweiten Weltkrieg brannte die Mühle komplett aus. Die Mühle, wie sie heute steht, wurde 1993 wiederaufgebaut, seit 1995 kann sie wieder besichtigt werden und seit 2001 mahlt Frederic Schüler dort regelmäßig Mehl aus Weizen, Roggen und Dinkel. Dabei wurde 1960 der Windmüller aus dem Handwerksregister gestrichen. Frederic Schüler hat für seinen Beruf zunächst eine Lehre als Elektroinstallateur abgeschlossen, anschließend Tischler gelernt um sich dann noch den Müllerberuf anzueignen. Die Mühle von Sanssouci produziert im Optimalfall eine Tonne Mehl pro Tag an circa 260 Tagen im Jahr. „Dabei ist es keineswegs so, dass ich an den anderen Tagen die Hände in den Schoß legen könnte. Draußen müssen ab und zu die Windmühlenflügel gestrichen und hier drin regelmäßig die Zahnräder überprüft werden. Wenn etwas defekt ist, liegt direkt der ganze Betrieb still. Und ansonsten gibt es immer die Möglichkeit zu putzen“, gibt Frederic Schüler zu bedenken. Natürlich ist die Windmühle längst ein Museum, das sich über die Eintrittsgelder finanziert. „Gott sei Dank, denn obwohl die Mühle ja noch relativ neu ist, ist eine klassische Windmühle wie unsere nach heutigen Maßstäben absolut ineffizient.“
Renaissance der Windmühlen?
Ob im Zuge der Nachhaltigkeit Wind- und Wasserkraft wohl wieder eine Rolle spielen könnten bei Mühlen? „Das würde in erster Linie angesichts unserer Kapazitäten eine Dezentralisierung bedeuten. Dafür müsste sich die Erwartungshaltung des Kunden ändern, zu jeder Tageszeit das vollständige Sortiment an Backwaren zu bekommen. Das ist schier nicht vorstellbar“, meint der Müller. Hinzu käme, das in dezentralisierten Betrieben mit geringerer Kapazität eine gleichbleibende Qualität nur schwerlich gewährleistet werden könne. „Ich bin auf die hier vorherrschende Qualität angewiesen, die natürlichen Schwankungen unterliegt“, erklärt Frederic Schüler.
Wovon er übrigens gar nichts hält, sind Haushaltsmühlen. Er könne zwar den Gedanken dahinter erkennen, dass alles so frisch wie möglich sein soll, gibt allerdings zu bedenken: „Was von denjenigen, die zu Hause ihr Mehl selber mahlen wollen, nicht berücksichtigt wird, sind die Temperaturen beim Mahlprozess, die eben bei den Haushaltsmühlen oftmals zu heiß werden.“ Denaturiertes Getreideeiweiß sei die Konsequenz dieser sehr heißen Temperaturen und das bedeutet wieder fehlende Elastizität beim Backen. Dann doch lieber das Mehl kaufen. Wer aber mal etwas nicht Alltägliches probieren möchte, kann z. B. das Mehl der Mühle von Sanssouci im hauseigenen Mühlenladen erwerben.
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